Hexenkatze - Roman
die aufgebrachte Micki mit einem Blick mütterlicher Geduld an und gab mir Mühe, darauf eine erschöpfende Antwort zu formulieren.
»Erstens, Micki, was bringt dich auf den Gedanken, dass ich das wollte? Zweitens, dass ich es könnte und drittens – warum sollte ich überhaupt? Außerdem darf man das nie gegen den Willen eines anderen tun.«
Micki blitzte mich an und schoss ihre Antwort ab: »Ers tens , du willst es, zweitens, du kannst es, und drittens – ganz einfach, weil du ihn lieb hast!«
»Du bist eine furchtbar nagende Ratte!«
»Bin ich nicht. Du willst nur der Wahrheit nicht ins Auge sehen.«
»Welcher Wahrheit?«
Micki schien in sich zusammenzuknicken, die Energie war verpufft. Ein bisschen kläglich meinte sie: »Ich hatte gehofft, dass du ihn liebst.«
»Selbst wenn, Micki. Was nützt das schon, wenn er mich nicht liebt.«
»Du meinst, weil er sagt, ihr habt nur ein Verhältnis, ja?«
»Und weil ich ihn ein bisschen besser kenne als du.«
»Aber du kannst es dir doch wünschen.«
»Das hatten wir schon. Nicht gegen den Willen …«
»Aber
ich
kann’s mir wünschen!«, trotzte sie plötzlich, und ich musste lachen.
»Ja, das kannst du, Micki.«
»Ich tu’s auch. Gleich jetzt.«
Oweia, da hatte ich etwas angerichtet. Micki und die Erfüllung ihrer Wünsche. Aber auch das gelang ihr nicht immer. Wenn auch immer öfter!
Einer unausgesprochenen Vereinbarung folgend trafen Alex und ich uns an den Abenden in der Woche nicht. Zwar wechselten wir ein paar Worte, wenn wir uns zufällig am Eingang trafen, aber wir hatten beide zu viel zu tun, um uns langen nächtlichen Ausschweifungen hinzugeben. Ich hatte einen neuen Auftrag bekommen, mit einer weiteren höflichen Einladung zum Essen, die ich für die übernächste Woche auch annahm. Diesmal durfte ich mich mit dem Geschäftsbericht herumschlagen, der an die amerikanischeMuttergesellschaft abgeliefert werden sollte. Das einzig Spannende daran war, dass ich mein gesamtes technisches Vokabular vergessen durfte und mich im Wirtschaftsenglisch fit machen konnte.
Jerry rief einmal an, erkundigte sich nach Micki und berichtete dann, dass er in zwei Wochen noch einmal bei uns vorbeikommen würde. Und ich möchte mir doch bitte bis dahin ein paar Gedanken zu unserer Ehe machen. Das zumindest konnte ich ihm mit gutem Gewissen versprechen. Gedanken machte ich mir wirklich dazu.
Donnerstag, nach dem Selbstverteidigungs-Kurs gab es dann wieder einmal eine Auseinandersetzung mit Rüdiger. Micki war ihm ja seit unserem Streit um den gepiercten Bauchnabel aus dem Weg gegangen, entweder, weil sie mich nicht reizen wollte, oder weil der Junge, seit sie häufiger mit Kevin zusammen war, seinen Reiz für sie verloren hatte. Mich hatte er die letzten Male unhöflich übersehen, aber damit konnte ich locker leben.
Ich beobachtete ihn im Spiegel. Er stand vor dem Hantelständer und bewegte mächtig Metall. Die Schlange auf seinem Arm wirkte unter der Kontraktion der Muskeln wie lebendig, und zwei Bewunderinnen sahen ihm in atemloser Faszination zu. Micki vergnügte sich noch eine Runde auf dem Stepper, sie hatte den Ehrgeiz entwickelt, die Eigernordwand ohne Pause besteigen zu wollen. Sieglind lenkte meine Aufmerksamkeit von dem Fitness-Raum ab und batmich um ein paar Ratschläge. Sie war – was Wunder – an ihrem Schreibtisch belästigt worden. Ich mahnte sie, auf verbale sexistische Annäherungen nicht gleich mit einem Handkantenschlag zu reagieren.
»Aber der Mann stand ganz nahe neben mir.«
Ich konnte mein dummes Mundwerk wieder mal nicht im Zaum halten und antwortete: »Wie schön für dich.«
»Du magst das ja wohl so empfinden. Ich finde diese aufdringliche Nähe von Männern als unangenehm.«
Na dann!
»Du könntest dir ein paar nette Sprüche zurechtlegen. Das schockt auch manchmal. So was wie ›Hände weg von meinem Schenkel, Mutter braucht noch keine Enkel!‹«
Leider hatte Sieglind für solche vorsichtigen Anrüchigkeiten keinen Sinn und stampfte beleidigt in Richtung Umkleide. Erst in diesem Augenblick merkte ich, dass Rüdiger seine Metallarbeiten beendet hatte und auf die Theke zusteuerte. Und Micki, ein bisschen aus der Puste, kam hinter ihm her. In diesem Moment wechselte die Musik, und ihr Lieblingssong dröhnte auf. Sie jodelte sofort mit und sah mich lachend dabei an, als sie sang: »Mutter, der Mann mit dem Koks ist da.«
Es geschah etwas schneller, als ich es vorhersehen konnte. Rüdiger drehte sich um, packte Micki an den
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