Hexenkessel
Ausblicke, die sich ihr jedesmal eröffneten, wenn Newman um eine Kurve bog. Zu beiden Seiten erstreckte sich eine wellige Hügellandschaft, und wenn sie nach vorne blickte, konnte sie weit in das endlos erscheinende Tal schauen, das sich tief in das Landesinnere hineinfraß. Dann fiel ihr wieder ein, was sie Alvarez hatte fragen wollen.
»Was sind eigentlich Rednecks?«
»Rednecks«, erwiderte Alvarez mit einem bedeutungsschwangeren Unterton in der Stimme, »sind primitive Menschen, auf die Sie treffen, wenn Sie das Kalifornien der Reiseführer hinter sich lassen. Es ist eine rauhe Bande, die stets Schußwaffen bei sich trägt - und auch nicht zögert, sie Fremden gegenüber zu gebrauchen. Sie leben in und am Rande der Ventana-Wüste. Meistens handelt es sich um große, kräftige Männer mit dicken roten Stiernacken, daher auch der Name. Besser, man hält sich von ihnen fern. Aber sie leben weitab von der Stelle des Tals, wo wir lunchen werden. Ah, da sind wir ja schon. Newman, Sie müssen gleich rechts in eine schmale, gewundene Straße einbiegen.«
Newman folgte seinen Anweisungen, bog ab und begann eine steile kurvenreiche Straße hochzufahren, die sie höher und höher ins offene Bergland führte. Kein einziger am Weg gelegener Weiler war mehr zu sehen, auch keine Hinweisschilder auf Gemischtwarenläden und andere Geschäfte, die Paula ab und an am Rand der Talstraße entdeckt hatte.
Gerade als sie sich fragte, wann sie endlich ihren Zielort erreichen würden, bogen sie um eine weitere Haarnadelkurve, und Vanitys Audi, der vor einer weißen Steintreppe parkte, kam in Sicht. Ein von einem Pfahl herabhängendes Holzschild verkündete, daß sie sich vor der Robles Del Rio Lodge befanden. Am Kopf der Treppe rahmte eine hölzerne Pergola den Eingang zu der dahinter befindlichen Terrasse ein.
Newman stellte seinen Wagen ab und der BMW hielt hinter ihnen, als Vanity oben auf der Treppe erschien und die Stufen hinunterlief. Sie trug ein weißes ärmelloses Sommerkleid, von dem sich ihre rote Mähne besonders auffällig abhob. Um ihre Taille schlang sich ein breiter Ledergürtel mit einer großen goldenen Schnalle.
»Herzlich willkommen, alle miteinander.«
Sie hatte ein betörendes Lächeln aufgesetzt. Newman streckte ihr die Hand hin und grinste verlegen, als er sie anschließend auf die Wange küßte. Die kleine Szene belustigte Paula. Sie wußte, daß er Zuneigungsbekundungen in aller Öffentlichkeit haßte wie die Pest. Vanity wandte sich Paula zu und umarmte sie, wobei Paula der schwache Hauch eines leichten Parfüms in die Nase stieg, das dem Duft, den sie wahrgenommen hatte, als der Buchhalter sie zu erdrosseln versuchte, so unähnlich war wie nur möglich.
»Ich habe Tisch Vier reservieren lassen«, sagte Vanity zu Tweed. »Er reicht für uns alle, und von dort aus haben wir einen herrlichen Blick, den wir beim Essen genießen können. Aber vermutlich möchten Sie alle vorher einen Schluck trinken. Die Hitze ist heute wirklich unerträglich.«
»Das habe ich auch schon bemerkt«, erwiderte Tweed in einem so spöttischen Ton, daß sie ihn erstaunt anblickte.
Nachdem sie die anderen begrüßt hatte, hakte sich Vanity bei Tweed unter und führte ihn die Stufen hoch. Paula folgte ihnen und blieb oben stehen, um den zu ihrer Rechten gelegenen großen rechteckigen Swimmingpool zu bewundern. Sie meinte, noch nie so leuchtend saphirblaues Wasser gesehen zu haben.
»Hier kann man sich auch Badeanzüge ausleihen«, sagte Vanity zu ihr. »Vielleicht möchten Sie ja nach dem Lunch gerne eine Runde schwimmen.«
Alvarez musterte unterdessen mit argwöhnischer Miene seine Umgebung. Einige Leute, die am Poolrand saßen, schienen sein besonderes Interesse geweckt zu haben. Ein schlankes junges Mädchen, das einen Badeanzug und einen kurzen Frotteemantel trug, fiel ihm wegen ihrer langen, wohlgeformten Beine auf. Sie wurde von drei Männern umschwärmt, und er fragte sich unwillkürlich, wer wohl später der Glückliche sein mochte - wenn sie sich überhaupt für einen von ihnen entschied. Sie fing seinen Blick auf und lächelte, woraufhin er ihr flüchtig zuwinkte.
Der Besitzer, ein gutaussehender Mann mit einem freundlichen, etwas extrovertierten Auftreten kam auf sie zu, um sie zu begrüßen.
»Das Essen kann jederzeit serviert werden, wenn Sie es wünschen. Schauen Sie sich ruhig vorher hier um. Der Kellner bringt Ihnen gleich etwas zu trinken …«
Paula blieb am Rand der Terrasse stehen, um die atemberaubende
Weitere Kostenlose Bücher