Hexenkessel
gegenüber. Die Halle wimmelte von Menschen, die auf dem Weg zum Speisesaal waren, um ihr Frühstück einzunehmen, oder auf Sofas saßen und sich unterhielten. Plötzlich schlang sich ein Arm um ihre Taille, und sie zuckte zusammen. An einem so belebten Ort würde doch sicherlich niemand einen erneuten Anschlag auf ihr Leben unternehmen? Ihre rechte Hand fuhr zu ihrer Umhängetasche.
»Hoffentlich habe ich Sie nicht erschreckt, Paula«, sagte eine fröhliche Stimme hinter ihr. Sie gehörte unzweifelhaft Brigadier Arbuthnot Grenville. Paula drehte sich um.
»Um ehrlich zu sein: Ja.«
»Das tut mir aufrichtig leid. Dachte mir, wir könnten vielleicht zusammen frühstücken. Sie sehen mal wieder zum Anbeißen aus. Ein fleischgewordener Traum.«
»Danke - sowohl für die Einladung als auch für das Kompliment. Aber ich habe es eilig.«
»Pech für mich. Ihr Boß, dieser Tweed, hält Sie anscheinend ganz schön auf Trab. Sie sollten sich ab und zu mal eine Pause gönnen, finde ich. Na, nichts für ungut. Ich will Sie nicht länger aufhalten.«
Paula sah ihn nach. Grenville konnte eine gehörige Portion Charme entwickeln, wenn er wollte. Seitdem er in Kalifornien war, erschien er ihr verändert - angenehmer und umgänglicher als früher. Wenn ihr nicht Tweeds Auftrag unter den Nägeln gebrannt hätte, wäre sie vielleicht versucht gewesen, seine Einladung anzunehmen - um herauszufinden, wo der plötzliche Wandel herrührte. Sie wandte sich gerade zu dem betreffenden Schalter um, als Grenville zurückkehrte und ihr grinsend zuzwinkerte.
»Unser Freund Maurice scheint nichts dazuzulernen. Er sitzt dort hinten neben einer korpulenten Dame und trinkt Kaffee.«
»Warum sollte er nicht?« erkundigte sich Paula verwundert.
»Weil ich gerade gesehen habe, wie er etwas aus einem Flachmann in seine Tasse geschüttet hat. Ich tippe auf Brandy. Maurice fängt wirklich reichlich früh an. Entschuldigen Sie, jetzt halte ich Sie ja schon wieder auf. Bin schon weg.«
Paula trat auf die Hotelangestellte zu und bat laut und vernehmlich um mehrere Flugbuchungen. Sie veranstaltete ein großes Getue darum und überhäufte das Mädchen mit einer Flut von Fragen, ehe sie sich auf den Weg in ihr Zimmer machte, um über den Zimmerservice Frühstück zu bestellen.
Die erste Person, die sie sah, als sie die Halle durchquerte, war Vanity Richmond. Die elegant gekleidete Frau begrüßte Paula herzlich, während diese sich fragte, wie lange sich Vanity wohl schon in der Halle aufhalten mochte.
»Ist das nicht ein herrlicher Tag?« begann Vanity mit ihrem warmen Lächeln. »Ich war eben auf der Terrasse. Kein Wölkchen am Himmel, und das Wasser ist spiegelglatt. Aber ich darf Sie nicht aufhalten. Sie sehen aus, als wären Sie wie üblich in Eile.«
Paula lächelte, wandte sich zum Gehen und wäre fast mit Newman zusammengestoßen, der heute besonders flott aussah. Er trug beigefarbene Leinenhosen mit messerscharfen Bügelfalten und ein blau-weiß gemustertes Sporthemd. Während er Paula zuzwinkerte legte er Vanity beide Hände auf die Schultern, um sie leicht auf die Wange zu küssen.
»Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen«, entschuldigte er sich bei ihr.
»Schon gut. Aber ich sterbe vor Hunger, wenn ich nicht bald etwas zwischen die Zähne bekomme.«
»Das kann ich nicht verantworten. Bis dann, Paula …«
Paula sah ihnen nach, als sie zusammen zu Roy’s, dem Hotelrestaurant gingen. Ihre Gefühle in dieser Angelegenheit waren recht zwiespältig. Newman schien von Vanity völlig hingerissen zu sein. Ob er etwa im Begriff war, den Kopf zu verlieren? Nun, das ist seine Sache, dachte sie. Ich hoffe nur, daß sein gesunder Menschenverstand in diesem Fall nicht versagt.
Sie drehte sich um und ging zu Tweed zurück, um ihm zu berichten, was sie in der Halle gesehen und gehört hatte.
Dreißig Minuten, nachdem Paula die undatierten Tickets gebucht hatte, wurde Moloch telefonisch von dieser Aktion informiert. Er erzählte Joel Brand davon, der soeben sein Büro betreten hatte.
»Es sieht so aus, als hätte sich die ganze Truppe entschlossen, nach Hause zu fliegen«, bemerkte er.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Brand kurz.
Er trug die Kleidung eines Holzfällers, nur die Axt fehlte noch. Die Spitzen seiner festen Lederstiefel waren mit Metallkappen verstärkt.
»Warum nicht?« fragte Moloch, seinen Stellvertreter mißtrauisch musternd.
»Ich halte das Ganze für einen Bluff. Sie haben selbst gesagt, Tweed wäre ein
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