Hexenkessel
Mrs. Benyons zwei Koffer aus dem Kofferraum und schüttelte abwehrend den Kopf, als Tweed versuchte, ihm seine Last abzunehmen.
»Kümmern Sie sich lieber um die Dame«, sagte er entschieden.
Tanzmusikfetzen klangen von irgendwoher durch die kühle Abendluft. Paula empfand die Töne als merkwürdig fehl am Platze - etwa wie ein Fest im Angesicht des Todes. Als sie auf den Hoteleingang zuging, hörte sie Alvarez mit rascher, abgehackter Stimme auf jemanden einreden. Er war zu Cord Dillon durchgedrungen.
Sie sah, wie Tweed am Eingang stehenblieb. Er drehte sich um und blickte über die lange Auffahrt hinweg. Paula, die ihn beobachtete, gewann den Eindruck, daß er jemanden erwartete; daß er hoffte, dieser Jemand würde noch rechtzeitig erscheinen. Dann wandte er sich ab und eilte mit großen Schritten zu seiner Suite.
Kurz darauf betrat Paula als erste der Gruppe sein Zimmer. Er hatte die gläserne Schiebetür geöffnet und seinen eigenen Koffer griffbereit neben sich gestellt. Tweed pflegte stets mit leichtem Gepäck zu reisen. Mrs. Benyon saß auf einem Sofa.
»Was ist mit der Hotelrechnung?« fragte Paula.
»Ich habe sie bezahlt, ehe wir nach Black Ridge aufgebrochen sind, und zwar habe ich vorsorglich für den morgigen Tag mitbezahlt, jedoch an der Rezeption hinterlassen, daß wir vielleicht in aller Herrgottsfrühe abreisen müssen.«
Newman kam herein; gefolgt von dem Rest des Teams. Alvarez bildete das Schlußlicht. Er deutete auf das Fenster, das Tweed offengelassen hatte.
»Wir gehen nach draußen. Der Chinook ist bereits unterwegs. Er wird auf dem Rasen des Golfplatzes landen. Ich kenne die genaue Stelle. Wir müssen uns beeilen, ich will rechtzeitig an Ort und Stelle sein, um die vereinbarten Lichtsignale zu geben, wenn ich ihn kommen höre.«
»Gehen Sie ruhig schon einmal vor«, sagte Tweed. »Ich folge dann nach. Ich will noch ein paar Minuten vor dem Hotel warten.«
»Aber warten Sie nicht zu lange«, warnte Alvarez. »Der Pilot des Chinook kann nicht die ganze Nacht auf dem Golfplatz verbringen.«
Ethan hielt sich schon seit geraumer Zeit in dem oberen Gewölbe in Black Ridge auf. Seine Augen hingen wie gebannt an dem großen Seismographen. Die vertikalen Linien wiesen in unregelmäßigen Abständen immer noch schroffe Zacken auf, aber ansonsten hatte sich nichts Weltbewegendes getan. Er stand reglos da und starrte auf das Gerät, wobei er gedankenverloren an seinen Fingernägeln kaute.
Mit einemmal empfand er das Warten als unerträglich. Ruhelos tigerte er durch die Kammer, dann rannte er zu dem Seismographen zurück. Die regelmäßigen leichten Erschütterungen verrieten ihm, daß ein größeres Erdbeben entlang der San-Moreno-Verwerfung unmittelbar bevorstand. Warum, zum Teufel, dauerte das so lange? Er hatte seine Nägel bereits bis auf das rohe Fleisch abgebissen.
»Komm schon! Komm schon!« keuchte er laut.
Mittlerweile hatte er sich in eine geradezu ekstatische Raserei hineingesteigert. Er stolperte zu einem Tisch hinüber, auf dem eine Thermoskanne mit Kaffee stand, goß sich einen Plastikbecher voll und trank ihn mit einem Schluck halb aus. In seiner Hast hätte er beinahe alles verschüttet. Mit geschlossenen Augen tastete er sich dann zu dem Seismographen zurück, schlug die Augen wieder auf und starrte das Gerät hypnotisiert an.
Die Schreibnadel hatte steil nach oben ausgeschlagen - steiler noch, als er es in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Ethan schleuderte den Plastikbecher quer durch die Kammer, so daß sich der letzte Rest Kaffee über den Fußboden ergoß, dann stürmte er die Leiter empor und riß die schwere Tür zum Korridor auf. Er lag verlassen da. Doch dann öffnete sich eine andere Tür, und Joel Brand erschien im Rahmen.
»Es ist soweit!« kreischte Ethan zu ihm hinüber.
»Was ist denn los?« grollte Brand.
»Es kommt! Das größte Erdbeben in der Geschichte der Menschheit. Mein Erdbeben …«
Brand riß den Revolver aus dem Holster, zielte und drückte ab. Die Kugel pfiff über den leeren Gang, ohne Schaden anzurichten. Ethan war wieselflink in sein Büro gehuscht und hatte die Tür von innen verschlossen. Er hörte, wie Brand ein paarmal wütend auf die Klinke hämmerte, dann trat Stille ein.
Ethan hatte bereits den verborgenen Wandsafe freigelegt und ihn mit Hilfe eines Spezialschlüssels geöffnet. Seine Hände klebten vor Schweiß. Hastig rieb er sie an seiner Hose ab, während er unschlüssig in das Innere des Safes starrte. Mit einem
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