Hexenkessel
ihm erneut erklärte, daß Tweed kein Mann wäre, der sich von der Menge abhob.
»Ein eher unauffälliger Mensch also«, meinte Moloch nachdenklich. »Das klingt nach einer männlichen Version Ihrer selbst, wenn Sie mir die Bemerkung nicht übelnehmen.«
Sie nahm ihm den Vergleich sehr übel, erwiderte jedoch nur, daß ihr diese Eigenschaft in ihrem Beruf sehr nützlich sei. Moloch starrte Joel finster an, der wieder in der Nähe stand. Er war zurückgekommen, nachdem er der Wachmannschaft einige Anweisungen gegeben hatte.
»Ich lasse dich rufen, wenn ich dich brauche«, sagte er scharf, dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut der Detektivin zu.
»Erzählen Sie mir von Ihrem Gespräch mit Tweed.«
Er hörte schweigend zu, während sie sprach. Sie hatte ein absolutes Gedächtnis und wiederholte Wort für Wort, was im Verlauf der Unterhaltung gesagt worden war. Das einzige, was sie verschwieg, war, daß sie Tweed erzählt hatte, Moloch habe vor seiner Ankunft in den Staaten als Buchhalter gearbeitet.
»Ich hoffe, es stört Sie nicht, daß ich Ihre Beziehung zu Cheryl und Julie erwähnt habe«, schloß sie ihren Bericht ab. »Aber da eine meiner Schwestern in Cornwall ermordet wurde und Tweed in England ist …«
»Es stört mich nicht im geringsten«, schnitt Moloch ihr das Wort ab. »Mir liegt genausoviel daran wie Ihnen, den Mörder zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen.«
»Waren Sie eigentlich an Bord der Venetia, während das Schiff vor Falmouth vor Anker lag?« fragte sie plötzlich.
»Eine merkwürdige Frage«, erwiderte er mit einem humorlosen Lächeln.
»Ich habe nur gefragt«, fuhr sie hastig fort, »weil Sie mir dann vielleicht sagen könnten, wer noch alles an Bord war, als meine Schwester ums Leben kam.«
»Ich verstehe. Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, aber ich weiß leider auch nicht mehr als Sie. Sie sagten, Tweed hätte Ihnen eine Visitenkarte gegeben. Dürfte ich die bitte einmal sehen?«
Linda holte die Karte aus ihrer Schultertasche. Moloch warf einen Blick darauf. Tweed, Chefermittler der General & Cumbria Assurance Company. Keine Adresse. Er drehte die Karte um, prägte sich rasch die Telefonnummer ein und gab Linda die Karte zurück.
»Er hat Ihnen also gesagt, Sie sollen sich an Monica wenden, wenn Sie ihn sprechen möchten und er nicht im Haus ist. Haben Sie eine Ahnung, wer diese Monica sein könnte?«
»Ich nehme an, sie bekleidet bei ihm dieselbe Stelle wie Vanity Richmond bei Ihnen.«
Moloch starrte sie an. Sie hielt seinem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Er fragte sich, ob sie Vanity wohl für seine Geliebte hielt. Wenn ja, unterlag sie einem Irrtum. Doch nach einer Weile kam er zu dem Schluß, daß sie ihm keine Affäre hatte unterstellen wollen.
»Also hat sich die Reise nach London gelohnt«, meinte er ruhig.
»Ich würde sagen, ja. Jetzt wissen wir, daß die Polizei auf beiden Seiten des Atlantiks für uns arbeitet. Ich habe mit einem Chefinspektor Buchanan gesprochen, einem ziemlich hohen Tier beim Yard, und der hat sich die Mühe gemacht, mich an Tweed weiterzuleiten, mit dem er anscheinend zusammenarbeitet. Das ist im Moment alles.«
»Ich danke Ihnen. Hier ist ein Teil des Honorars, das ich Ihnen versprochen habe.«
Er händigte ihr einen Umschlag aus, der die vereinbarte Summe in Hundertdollarscheinen enthielt, erhob sich und verließ den Raum.
Joel erschien, um sie zur Tür zu bringen. Im Gegensatz zu seinem üblichen Aufzug - Jeans und T-Shirt - trug er heute einen eleganten Anzug, ein sauberes Hemd und eine teure Seidenkrawatte. Er nahm sie leicht am Arm.
»Ich weiß, daß Sie mich nicht besonders mögen …«
»Das habe ich nie gesagt oder mich dementsprechend verhalten.«
»Okay. Aber eines sollten Sie wissen: Für VB zu arbeiten ist kein Zuckerschlecken, und ich habe einen besonders harten Job. Ich überlasse Sie jetzt sich selbst - die Vordertür ist offen und die Tore auch. Fahren Sie vorsichtig.«
Linda verstand die Welt nicht mehr. Diese Seite von Joel Brand hatte sie bislang noch nicht gekannt. Wie benommen ging sie weiter, wurde aber plötzlich von Byron Landis eingeholt. Auch er war untadelig gekleidet und trug einen Mantel über dem Arm. Er lächelte sie an, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, fiel ihr auf, wie anziehend, ja attraktiv er wirken konnte.
»Entschuldigen Sie, Linda«, sagte er, während sie gemeinsam zur Tür gingen, »aber könnten Sie mich wohl mitnehmen, wenn Sie nach Carmel zurückfahren? Mein
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