Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
gegenüber Platz zu nehmen, und während er ihrer Aufforderung nachkam, versicherte sie ihm, ihr Vater werde hier nie wieder das Kommando führen.
"Ihr bleibt also hier? Fahrt nicht mehr nach Belleville?", freute er sich, worauf sie entgegnete:
"Ich kann doch den Betrieb nicht zugrunde richten lassen. Von jetzt . ."
Es klopfte an die Tür, und im nächsten Moment betrat Herr Schmalhover den Raum, dicht gefolgt von seinem Sekretär.
"Was erdreistet Ihr Euch", rief Lucia ihnen entgegen, "habe ich Euch hereingebeten?"
Verblüfft verhielten sie ihren Schritt, und erst nach mehreren Atemzügen forderte Lucia sie auf, ihr Anliegen vorzutragen. Womit Herr Schmalhover auch unmittelbar begann. Er schob alle Schuld für die Einstellung der Arbeitskräfte auf Meister Rodder, und sein Sekretär bestätigte eifrig diese Aussagen. Lucia kehrte heraus, dass sie mit dieser Angelegenheit nichts zu tun habe, weder sie noch der Betrieb, damit müsse er sich schon an ihren Vater wenden.
"Werde ich gleich tun, ich werde ihn umgehend zur Rede stellen."
"Nicht umgehend", wies Lucia ihn zurecht, "denn noch ist Dienstzeit! Bevor Ihr jetzt wieder zurück an Eure Arbeitsplätze geht, lasst uns die Buchungen der letzten zwölf Monde hochbringen und anschließend lasst Ihr Herrn Adam zu uns bitten."
"Wird erledigt." "Jawohl, Fräulein", stammelten sie fast lautlos, während sie sas Kontor verließen. Lucia und Herr Hoyer blickten sich amüsiert an, und Herrn Hoyers Grinsen wurde noch breiter, als sie ihn bat, endlich das Schild mit der Aufschrift 'Betriebsleiter Rodder' von ihrer Tür zu entfernen.
"Gern, nur allzu gern", war er sofort bereit, "und nebenan das Türschild schraube ich ebenfalls ab."
"Damit warten wir mal noch", gab sie lächelnd zurück.
Nachdem Herr Hoyer das Schild abmontiert und im Abfallkorb begraben hatte, weihte Lucia ihn in ihre betrieblichen Zukunftspläne ein, zu denen vorrangig ihr Bestreben gehörte, Herrn von Lasbeck als ihren Stellvertreter zurück zu gewinnen.
Inzwischen waren ihnen die Buchungsunterlagen gebracht worden, und jetzt führte einer der Schreiber Herrn Adam ins Kontor. Lucia fasste sich kurz: "Nur eine Sache noch, Herr Adam. Lasst die aussortierten Waren vorab noch nicht wegwerfen, sondern stapelt die Gefäße gut sichtbar an einer geeigneten Stelle der Lagerhalle auf, damit wir am Ende den Kontoristen, den Einkäufern, vor allem aber den Herstellern vor Augen führen können, welche Verluste das Werk jetzt verkraften muss."
Diese Idee gefiel Herrn Hoyer ebenso gut wie Herrn Adam, der jetzt prophezeite: "Dann wird meinen Lageristen dieses Aussortieren sogar Spaß bereiten", worauf er mit zufriedener Miene das Kontor wieder verließ.
Sodann beugten sich Lucia und Herr Hoyer über die Buchungsakten, um zu errechnen, von wann an der Betrieb wieder Gewinne erwirtschaften könne.
Darüber war der Nachmittag hingegangen, und ehe die mitten auf dem Hügel stehende Werksglocke zum Feierabend geläutet wird, muss Lucia noch eine letzte Angelegenheit hinter sich bringen. In der Fabrikation.
Dort verkündete sie schließlich den Farbproduzenten, sie brauchten morgen, dem Heiligabend, nicht zur Arbeit kommen, sie gebe ihnen den ganzen Tag frei.
"Das geht net! Wir haben Aufträg zu erfüllen!", wetterte Meister Rodder dagegen an.
Worauf Lucia ihm entgegen hielt, sie kenne jeden Bestellschein, und auf keinem werde ein Produkt verlangt, das nicht auf Lager sei.
Seine Sprachlosigkeit über diese Antwort nutzte sie, um ihre kurze Bekanntgabe fortzusetzen: "Ihr habt also morgen frei, meine Herren. Bevor Ihr aber hier nach Weihnachten Eure Arbeit wieder aufnehmt, wartet Ihr auf mich, denn ich habe Euch neue Instruktionen zu erteilen. Und jetzt wünsche ich Euch und Euren Familien ein gesegnetes Fest."
Ein vielstimmiges Dankeschön und ebenfalls gesegnete Weihnachten, war die Antwort. Darauf verließ sie das Gebäude, vorbei an ihrem drohend dastehenden Vater, von dem sie fürchtete, er stürze hinter ihr her. Doch er verschonte sie.
Mit dieser letzten Aktion hatte sie alles verrichtet, was sie sich bis Weihnachten vorgenommen hatte und begab sich auf direktem Weg durch die hintere Terrassentür des Herrenhauses in ihre Gute Stube.
Heiligabend im Kreis ihrer Familie, Verwandten und Mitbewohner, und mit einer Mutter, wie Lucia sie nur von ihrer frühen Kindheit her kannte. Alles im Festsaal war mit Äpfeln, Nüssen und buntem Naschwerk ausgeschmückt, überall brannten Wachskerzen, besonders zahlreich in den Kronleuchtern
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