Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
seiner Naivität glauben, sie liege jetzt bei ihm und war deshalb gezwungen, entsprechend zu handeln.
Sie hoffte nicht vergebens, bereits nach der Mittagspause begannen Meister Rodder und seine Männer alle Geräte auseinander zu nehmen, um sie dann gründlich zu putzen, zu ölen und sie anschließend wieder zusammen zu setzen. Doch nach verrichteter Arbeit konnte sich Meister Rodder nicht durchringen, seinen Leuten die kommenden Tage frei zu geben.
Erst am folgenden Morgen passte er Lucia auf ihrem Weg vom Wohnhaus zum Werksgelände ab, ging ein paar Schritte neben ihr her und nuschelte: "Bis über Silvester können's frei ham."
Lucia äußerte sich nicht dazu, ob nun aus Sturheit oder Berechnung, sie fand, er hätte sich verständlicher ausdrücken müssen.
"Hhm?", fragte er nach, und da sie auch darauf nicht reagierte, brummelte er: "Also bis über Silvester", und beschleunigte seinen Schritt.
Wenigstens ein Anfang, nahm Lucia zur Kenntnis und hoffte, ihn mit der Zeit noch umgänglicher stimmen zu können.
Momentan lag Dringenderes für sie an, was sich ihr jedoch wenig später als Niederlage erwies. Gritta von Lasbeck suchte sie im Kontorhaus auf und riet ihr, ihrem Vater vorläufig besser fernzubleiben, sie habe über Weihnachten versucht, ihm seine frühere Position im Bellwillwerk wieder schmackhaft zu machen, sei damit aber bei ihm nach wie vor auf Granit gestoßen. Falls er doch noch zugänglich werde, versprach sie Lucia, werde sie es ihr umgehend mitteilen.
Diese Nachricht traf Herrn Hoyer ebenso sehr wie Lucia, denn beide wollten diesen unmöglichen Schmalhover sobald wie möglich zwei Stockwerke tiefer an sein ursprüngliches Schreibpult zurückversetzen.
Deshalb überlegten sie nun, welcher der Kontoristen für diese Position geeignet sei. Sie gingen gedanklich alle durch, sahen sich unter diesem Aspekt auch ihre Aktenführungen an, doch niemand erfüllte die Ansprüche für diese Position im ausreichenden Maß. Allenfalls Herr Mircher, der Leiter der Personalabteilung.
Während sie sich mit diesen Gedanken befassten, im Lager die unbrauchbaren Waren aussortiert wurden und die Fabrikation geschlossen war, nutzte Justus die Situation, um sich in der Mechaniker Werkstatt aufzuhalten. Darin entdeckte ihn später zufällig Lucia, rief ihn heraus und riet ihm, sich hier nicht von Vater entdecken zu lassen, er solle ihm besser vorführen, wie emsig er über seinen Alchimie Aufgaben sitze.
"Vater ist doch gar nicht hier", klärte Justus sie auf, "seit er uns allen frei gegeben hat, ist er zu Pferd unterwegs. Den ganzen Tag schon."
"Dann führe ihm abends deinen Fleiß vor, du willst doch deine Lehrzeit verkürzen, etwa nicht?"
"Doch. Na schön, spiele ich eben abends den Streber."
Lucia konnte sich denken, welch unangenehme Wege ihr Vater derzeit erledigte, er ritt zu all den Leuten, die er eingestellt hatte und denen er jetzt wieder kündigen muss. Ob Herr Schmalhover ihn in seiner Freizeit darin wohl unterstützt? Wahrscheinlich nicht, vermutete Lucia und erkundigte sich auch nicht danach, um herauszustreichen, dass dies keine Firmen-, sondern eine Privatangelegenheit sei.
Einen Tag vor Silvester bedrängte Herr Hoyer Lucia neuerlich, ihm eine Unterredung mit Herrn von Lasbeck zu gestatten, er habe sich doch immer ausgezeichnet verstanden mit ihm.
"Bitte, Fräulein", redete er auf sie ein, "ein Gespräch von Mann zu Mann ist wahrscheinlich das einzige, das ihn noch umstimmen kann."
"Meint Ihr wirklich?"
"Zumindest wäre es doch einen Versuch wert."
"Gut", nickte Lucia nachdenklich, "von alleine wird er seine Meinung wohl nicht ändern. Dann reitet morgen Vormittag zu ihm."
"Lieber heute Abend, denn bei einem Glas Wein lässt es sich besser reden."
"Auch recht", stimmte sie zu, reichte ihm die Hand und bedankte sich für die tatkräftige Unterstützung, die sie in der Betriebsleitung einzig und allein von ihm erfahre. Sein freudiger Ausdruck darauf bewies, wie gut ihm diese Anerkennung tat.
Am Abend bangte Lucia bis in die Nacht hinein, dass Herrn Hoyers Mission zum Erfolg gereicht. Denn wenn Herr von Lasbeck wieder nebenan im Assistentenkontor säß, würde für sie die Aussicht näher rücken, doch noch ihr Kunststudium fortsetzen zu können.
Dann aber die Enttäuschung, Herr Hoyer konnte ihr am nächsten Morgen keinen Erfolg präsentieren. Herr von Lasbeck sei zwar äußerst freundlich gewesen, berichtete Herr Hoyer, fühle sich auch von ihrem Angebot geehrt, lehne es jedoch nach wie vor ab. Darauf fiel
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