Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Buchhaltung, die Bilanzen der letzten vier Monde vorlegen und ging sie dann mit ihm durch. Sie wiesen noch erschreckendere Ergebnisse auf, als sie erwartet hatte. Die Gewinne deckten längst nicht mehr alle Betriebskosten, sie mussten und müssen auch in nächster Zeit teils aus der Geldreserve des Werkes beglichen werden. Nach stundenlangem gemeinsamen Studieren der Bücher äußerte Lucia: "Man sollte rigoros alle Einkäufe sperren. Und erst recht die Produktion. Aber sorgt Euch nicht, Herr Kamelau, das lässt sich alles wieder auffangen."
"Hoffentlich, Fräulein, hoffentlich", seufzte er, bevor er mit den Akten ihr Kontor wieder verließ.
Lucia hörte es gerne, dass sie jetzt im Werk nicht mehr mit vollem Namen angesprochen wurde, sondern nur mit Fräulein, womit ihr die Betriebsangehörigen nicht nur ihren Respekt, sondern auch ihr Vertrauen ausdrückten, was Lucia noch mehr anregte, sie nicht zu enttäuschen. Lucia hatte sich vorgenommen, den Betrieb wieder in normale Bahnen zu lenken. Möglichst zügig. Zumal im kommenden Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Bestehen gefeiert werden soll, wozu bereits mehrere Vorbereitungen getroffen wurden. Ich muss das schaffen, redete sie sich zu, ungeachtet der Tatsache, dass ich dazu mehrmals vor etlichen Versammelten des Werkes Ansprachen zu halten habe, wobei ich jeden, aber auch jeden einzelnen Werksangehörigen von meinem Erfolg versprechendem Vorhaben überzeugen muss. Auch davor werde ich nicht zurückschrecken!
Da bereits der Feierabend nahte, ließ Lucia nun schnell noch den Leiter der Abfüllerei, den des Lagers, den des Verkaufs sowie die Leiterin der Beschriftungsabteilung zu sich in die Betriebsleitung zu bitten. Und als sie mit diesen Vier dann im Besprechungsraum saß, erkundigte sie sich, ob auch ihnen aufgefallen sei, dass im zurückliegendem Jahr weit mehr produziert als verkauft worden war.
"Sicher, Fräulein, das ist doch nicht zu übersehen." "Jeder im Werk weiß das", "und allen bereitet es Sorge." "Fast allen", betonte am Schluss Frau Häuting, die Graphikmeisterin, "leider nur f a s t allen. Denn unser aller Arbeit hat so zugenommen, dass nach Silvester sogar neue Kräfte eingestellt werden, alleine vier in der Fabrikation."
Herr Adam, der Lagerleiter, ergänzte: "Zum Herstellen von Farbe, die nicht verkauft werden kann."
Diese Nachricht entsetzte Lucia - neue Leute einstellen, welcher Wahnsinn!
Ihre Erregung unterdrückend, versprach sie den Vieren: "Es wird nicht e i n Neuer eingestellt, und Ihr werdet bald auch weniger Arbeit haben. Nur lässt sich das nicht alles auf einmal auf das Normalmaß zurückführen, wir müssen schrittweise vorgehen, was für die Lageristen zunächst sogar, so sehr ich das bedaure, vorübergehend Mehrarbeit bedeutet. Frau Häuting, reichen Euch die Leute in Eurer Abteilung? Ich denke dabei an die Anfertigung der Jubiläumsetiketten."
"Wenn Ihr so fragt, Fräulein, um alles pünktlich fertig zu bekommen, brauchte ein halbes Dutzend Hilfskräfte."
"Schön", versprach ihr Lucia, "die sollt ihr bekommen, da im Werk jetzt einige Kräfte frei werden, über die Ihr verfügen könnt. Mehr zu unserem Vorgehen morgen. Dazu bitte ich Euch Vier, Euch morgen um neun Uhr mit all Euren Leuten in der Lagerhalle einzufinden, wo ich dann erläutern werde, wie wir die Probleme angehen."
Sie erhob sich, die anderen mit ihr, und während sie den Raum verließen, redete Lucia ihnen zu: "Keine Sorge, wenn wir alle an einem Strang ziehen, hat sich vieles bis Ostern eingerenkt."
Bis Ostern - für die Beschäftigten ja, nicht aber für die Finanzlage des Betriebes, sinnierte Lucia, als sie wieder in ihrem Kontor saß. Ehe der Betrieb wieder Gewinn abwirft, vergeht womöglich ein volles Jahr, da zunächst die Verluste aufgefangen werden müssen. Lucia wusste, wenn sie Herrn von Lasbeck nicht zurückgewinnen kann, muss sie wohl oder übel ihr Kunststudium abbrechen, um hier den Betrieb selbst zu leiten.
Beim Abendbrot saß Familie Rodder wieder am Kopf der langen, ovalen Tafel, Lucia zwischen ihren Eltern, womit jedem gedient war. Mit einer Einschränkung, Meister Rodder fühlte sich neben Lucia so unbehaglich, dass er außer häufigem Räuspern keinen Ton herausbrachte.
Nachdem Madame Rodder schließlich die Tafel aufgehoben hatte, brachte es Lucia fertig, ihren Vater mit fester Stimme anzusprechen: "Vater, für morgen neun Uhr habe ich aus vier Abteilungen alle Leute in die Lagerhalle bestellt, um ihnen betriebliche Neuerungen darzulegen. Dich
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