Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
dir das heute Abend in meinem Kontor anhand des Bauplans und der Unterlagen vor, ja?"
"Gerne", stimmte Lucia zu und freute sich, dass mit dem Erlös dieses Verkaufs wahrscheinlich für die beiden kommenden Monde die Lohnkosten der Werksangehörigen gesichert wären.
Auf Lucias Wunsch bot Vera noch ein weiteres und bedeutend größeres ihrer Meraner Wohnhäuser zum Verkauf an. Und sollte sie auch für dieses Objekt einen Käufer finden, würde Lucia der hohe Erlös dafür von ihren finanziellen Sorgen um das Werk endgültig entheben. Vorausgesetzt, ihr und Herrn von Lasbeck gelingt es, ihren Kundenkreis rings um Meran ausreichend zu erweitern.
Vera hatte sich die neben ihrer Suite gelegene Stube als Kontor für ihre ihre Verwaltungstätigkeiten eingerichtet, und dorthin begab sie sich nach dem Abendbrot mit Lucia. Da Vera durch ihre Glaserausbildung auch über Baukenntnisse verfügte, konnte sie Lucia dann an ihrem Schreibpult fachmännisch vorrechnen, welche Kaufsumme sie von Herrn Ernstein verlangen könne. Mit diesem Betrag war Lucia einverstanden, und Vera bot ihr an, morgen Herrn Ernstein aufzusuchen, um ihn durch jenes Haus zu führen.
"Danke", freute sich Lucia über diese Gefälligkeit, "das ist mir eine Entlastung, denn morgen wollen sich endlich die letzten Zunftherren von uns verabschieden. Wie steht es eigentlich um mein anderes, das Sechsfamilienhaus, hast du schon einen Interessenten dafür gefunden?"
"Leider noch nicht."
"Meine Mutter kennt viele Leute hier, ich werde sie bitten, sich nach einem Kaufinteressenten umzuhören."
Darauf wurde Veras leicht sommersprossiges Gesicht ernst, und sie empfahl Lucia, besser damit noch ein wenig zu warten, ihre Mutter wirke schonungsbedürftig. Das sei ganz plötzlich eingetreten, wahrscheinlich habe sie eine ungute Nachricht erhalten. Die ersten Tage habe man sie kaum anzusprechen gewagt, erst seit ihrer, Lucias, Ankunft lebe sie langsam wieder auf. Im Übrigen habe auch sie, Vera, in der hiesigen Umgebung Bekannte, die an Stadthäusern interessiert seien, sie werde also auch für ihr zweites Objekt bald einen Käufer finden.
Als sich Lucia nach diesem Gespräch die Treppe hinab zu ihrem Wohnreich begab, dachte sie - Vera ist wirklich eine Perle, wie Maman sie mir angekündigt hat.
Bereits am folgenden Abend konnte Vera Lucia glücklich mitteilen, Herr Ernstein sei bereit, das Haus für den genannten Preis zu kaufen, Ende der Woche soll der Kaufvertrag abgeschlossen werden.
"Dafür nehme ich mir den ganzen Tag frei", frohlockte Lucia, "am Vormittag gehen wir zum Notar und am Nachmittag feiern wir zwei."
"Abgemacht. Aber ich knüpfe eine Bitte daran, gehst du am Nachmittag, bevor wir feiern, mit mir zum Barbier? Ich will mir nach deiner Frisur ebenfalls diesen französischen Schnitt machen lassen. Glaubst du, das kann ich mir bei meinem ferkelblonden Haar leisten?"
"Ferkelblond", lachte Lucia, "dein Haar ist rotblond und wunderhübsch. Natürlich wird dir diese Frisur stehen, hast ja die richtigen Locken dafür, denn mit glattem Haar könnte das nichts werden. Und Justus nehmen wir mit, er wünschst sich schon lange diesen Schnitt."
Nur Madame Rodder konnten sie dazu nicht einladen, denn ihr Haar war glatt. Aber sie war momentan ohnehin nicht in der Verfassung für solch eine kesse Frisur. Seit gestern wirkte sie plötzlich noch bedrückter, war auch blasser als die Wochen zuvor und hatte nach dem Frühstück mit angeblichen Kopfschmerzen den restlichen Tag in ihrer Wohnung zugebracht. Heute fühlte sie sich zwar etwas besser, dennoch nahm sie mit ihrem Gatten alle Mahlzeiten wieder in ihrer Wohnung ein. Lucia und Vera vermuteten, ihre Frauenblutung bereite ihr Pein.
Unterdessen waren alle Werksgebäude weiß getüncht, und das Herrenhaus leuchtete an seiner Vorderfront bereits in lichtem Gelb. Jeder erfreute sich an diesem Anblick. Anschließend sollen noch das Gäste- und das Gesindehaus neu getüncht werden, wobei Lucia den Domestiken die Wahl zwischen weiß oder hellgelb überlassen hatte.
"Hellgelb, gnädiges Fräulein", hatte Madame de Lousin heute Morgen Lucia ausgerichtet, "alle haben sich für hellgelb entschieden, die beiden Häuser sollen ebenso aussehen wie das Herrschaftshaus."
"In Ordnung, zwei Anstreicher werden wahrscheinlich schon morgen damit beginnen."
Das taten sie dann auch, wie Lucia am nächsten Morgen noch feststellen konnte, bevor sie mit Vera zu Fuß den Hügel hinab zur Stadt spazierte.
Nachdem schließlich in der Kanzlei Rosenau zu
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