Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
er dem Ruf der Sforzas, indem er sich mit dem Hofrat zu jenem Baldachin begab, unter dem die erlauchten Herrschaften ihre Plätze Inne hatten. Seine Nonchalance beeindruckte stets aufs Neue, er kam zwar jederzeit den Aufforderungen des Herzogs nach, doch nie in unterwürfiger Weise.
Wenig später scharten sich die Besucher um das blumengeschmückte Tanzpodest, um sich an den dort bereitgestellten Tischen nieder zu lassen, während Hofmusikanten mit Fideln, Schalmeien und Schlagzeugen die muschelartige Schallmulde bezogen. Lucia und Carlo hielten sich noch zurück, erst als die meisten ihre Plätze eingenommen hatten, setzten sie sich an einen Zweiertisch der hintersten Reihe, denn Lucia hielt es nicht für ratsam, zu sehr in das Geschehen einbezogen zu werden. Dann erinnerte sie Carlo, ja keine Fräulein zum Tanz zu bitten, da er damit bei ihnen und ihren Eltern Heiratshoffnungen wecken könne.
"Habe ich doch alles noch im Kopf", versicherte er ihr.
Nun setzten die Hofmusikanten zu einer festlichen Auftaktmelodie an, und gleich drauf erklomm Herzog Ludovico mit seiner Verlobten zwischen den Blumen das Tanzpodest, um den Ball zu eröffnen. Bald gesellten sich noch einige höfische Paare hinzu, und zu Lucias und Carlos Erstaunen sahen sie, dass Leonardo die grün gekleidete Donna Gallerani zum Tanz führte.
"Wahrscheinlich muss er das", meinte Carlo, "bestimmt hat ihn der Herzog darum gebeten."
"Und glaubt, er erweist Maestro da Vinci eine Ehre damit", höhnte Lucia.
Leonardo geleitete die Donna galant die zwei flachen Stufen zum Podest hoch, doch beim Tanz merkte man ihm Unbehagen an, das blieb keinem, der zusah, verborgen. Lang brauchte er diese Aufgabe allerdings nicht durchzuführen, denn bereits nach wenigen Drehungen und Figuren klang die Musik aus, und er konnte seine Partnerin wieder zurück unter den herzoglichen Baldachin geleiten.
Während der nun eintretenden Pause wurde Carlo zunehmend unruhiger, und als die Hofmusikanten endlich die Gäste mit einer schwungvollen Weise auf das Tanzpodest baten, wollte er sogleich hochspringen, doch Lucia hielt ihn zurück: "Sieh dich erst unauffällig nach einer geeigneten Partnerin um. Unauffällig, Carlo, ich habe dir doch erklärt, wenn dich dabei ein erwartungsvoller weiblicher Blick trifft, musst du diese Dame zum Tanz bitten, ob sie dir zusagt oder nicht."
"Si, aber das ist nicht passiert, und ich habe schon eine erwählt", beeilte er sich, ihr zu versichern, während er aufstand.
Lucia schaute ihm nach, wie er zu einer knapp dreißigjährigen, recht ansehnlichen Donna trat, sich dann erst fragend vor ihrem Gemahl und nachdem der zugestimmt hatte, vor ihr verneigte. Lächelnd erhob sie sich, wonach er sie mit gebührendem Abstand und graziösen Schritten zum Podest führte. Gut gemacht, Carlo, rief Lucia ihm gedanklich nach. Sie selbst drückte sich vor dem Tanz. Auch als dann der zweite begann, den Carlo ebenfalls wahrnahm, verharrte sie auf ihrem Gartenstuhl. Erst beim dritten, wieder hatte sich Carlo eine adrette Donna herausgepickt, trat sie an den Tisch der da Vinci-Artisti und forderte Giovannis Schwester Maria auf.
Beim Tanzen erlebte Lucia dann eine Überraschung, bereits nach den ersten Schritten fühlte sie, wie sich Maria ihr anpasste, wie sie sich bedingungslos von ihr führen ließ. Ein frappanter Unterschied zu ihren Tanzübungen mit Alphonse und Carlo, hier führte sie keinen steifen Mann, sondern eine hingebungsvolle Jungfer. Marias Tanzweise erleichterte Lucia ihre ungewohnte Führungsrolle, und sie hielt ihre Leistung für ganz passabel. Dennoch war sie erleichtert, als sie Maria wieder zu Giovanni geleiten und dann zu ihrem eigenen Tisch zurückkehren konnte. Dort empfing Carlo sie amüsiert: "Hast ganz rote Bäckchen, war's so anstrengend?"
Lucia konterte: "Glühst ja selbst, roter als dein Stirnband. Deshalb besorge ich uns jetzt Limonade."
Seinen Einwand, sie bekämen doch auf Wunsch alles serviert, überhörte sie und zielte auf einen Schanktisch zu. Dort zögerte sie die Besorgung so lange wie möglich hinaus und kehrte mit zwei hohen Steinbechern erst zurück, als der nächste Tanz begonnen hatte. Und wieder befand sich Carlo auf dem Podest. Bisher war er nie freiwillig von Lucias Seite gewichen, und nun konnte ihm nicht schnell genug die nächste Tanzmusik ertönen, obgleich er sich mit Damen begnügen musste und den hiesigen adretten Jünglingen nicht mal einen liebenswürdigen Blick schenken durfte.
"Ah, frischer Saft", freute sich
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