Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
viel, und andere tun das ebenfalls", schmeichelte sie ihm, worauf er ihr gestand, was sie ohnehin wusste:
"Mir gefällt das Benehmen der Adeligen. Das habe ich besonders gestern beim Tanz genossen. Da fallen keine plumpen Bemerkungen, man muss sich gegen keine Aufdringlichkeiten wehren, alles ist viel feiner als bei Volksfesten."
Lucia verschwieg ihm lieber, dass Anzüglichkeiten bei Adeligen ebenso verbreitet waren wie bei Bürgerlichen, nur verbrämter.
Diese Tatsache bestätigte sich ihr bereits wenig später. Während ihnen die Speisen aufgetragen worden waren, hatte sich nicht weit von ihrem Tisch, genau in Lucias Blickfeld, jene kurzhaarige Blondine nieder gelassen, mit der gestern an ihrer Stelle Carlo getanzt hatte, und auch heute fixierte sie Lucia ständig. Zunächst hatte Lucia sie geflissentlich übersehen, doch nun wurde es ihr zu viel, zumal sich ihre Tischnachbarn für ihr Benehmen zu schämen schienen. Deshalb bedachte Lucia sie mit ihrem Löwenblick. Mit prompter Wirkung, ihr Gesicht flog zusammenzuckend zur Seite. Carlo, über Lucias Blick ebenfalls erschrocken, wollte erfahren, wen sie so angefunkelt habe.
"Nicht umdrehen", raunte sie ihm zu, "zwei Tische hinter dir - ich sag's dir gleich."
Erst nachdem sie eine Weile weitergespeist hatten, als sei nichts geschehen, erklärte sie ihm: "Deine blonde Tänzerin von gestern. Sie hat auch eben ungeniert zu uns hergestiert."
"Ich habe sie vorhin in den Schlosshof kommen sehen, mit dem gleichen Ehepaar wie gestern. Beim Tanz gestern hat sie sich übrigens penetrant nach dir erkundigt, aber ich habe mich nicht ausfragen lassen. Offenbar hat sie sich in dich verkuckt."
"Phh!"
"Bei dieser hübschen Donna solltest du zugreifen, Lukas, denn auch die Körpergröße passt, sie ist noch kleiner als du."
"Pscht jetzt", unterbrach ihn Lucia, "sie steht auf . . , und jetzt - dreh dich ja nicht um, sie spaziert in unsere Richtung."
Sie speisten möglichst unbefangen weiter, selbst als Lucia aus dem Augenwinkel erkannte, dass die Donna mit ihrem hellblauen, aufgebauschten Rüschenkleid nah an ihrem Tisch vorbeitippelte.
"Auweh!", hörte Lucia sie jetzt direkt hinter sich ausrufen, aber auch davon ließ sie sich nicht unterbrechen.
Carlo indes trat zu ihr und beruhigte sie: "Das haben wir gleich, verehrte Donna."
Lucia spürte, wie Carlo sich am hinteren Bein ihres Stuhls zu schaffen machte, weshalb sie gezwungen war, nachzusehen, um welches Malheur es sich da handelte - der Rock der Donna hatte sich darin verfangen. Trotzdem Lucia wusste, dass sie das absichtlich herbeigeführt hatte, erhob sie sich höflich, und sogleich sprach die Donna sie an: "Ihr seht mich fassungslos - Don de Belleville?"
"Ganz recht."
"Diese Ähnlichkeit", entzückte sich die Donna. "Von weitem habe ich es ja nur geahnt, aber jetzt aus der Nähe, geradezu verblüffend - die gleichen hohen Wangenknochen und auch die übrigen Gesichtszüge, einzig die Haarfarbe unterscheidet sich. Oh, verzeiht, mein Name ist de Brondolo. Sagt Euch das nichts?" Da Lucia nichts erwiderte, ergänzte sie: "Angelina de Brondolo."
Darauf durchblitzte Lucia ein Schreck - sie also ist das. Doch sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt und hörte sich gelassen Angelinas Erklärung an:
"Ich bin eng, no, innig bekannt mit einem Verwandten von Euch, mit Alfonso de Belleville."
Ein erwartungsvoller Blick folgte, doch Lucia stellte sich unwissend: "Bedaure, Donna de Brondolo, auch dieser Name sagt mir nichts. Versteht bitte, unsere Sippe ist weit verstreut, da kennt man nicht jeden."
Angelinas Ausdruck verriet, dass sie Lucia nicht glaubte, was ihre zynischen Worte noch bestätigten: "Jeden natürlich nicht, aber doch die nächsten Verwandten. Euerer Ähnlichkeit mit Alfonso nach könntet Ihr sein Bruder sein."
"Das wüsste ich aber", tat Lucia beleidigt, worauf sich Angelina wieder zu einem verbindlicheren Ton entschied:
"War nicht so gemeint, Don de Belleville. Alfonso hat mir gesagt, er habe in Mailand Verwandte, bei denen er sich häufig aufhält. Aber Euer leichter Akzent verrät mir, dass Ihr weder aus der Lombardei noch, wie Alfonso, aus Frankreich stammt. - Aus Bayern?"
Lucia nickte nur, wobei sie Anstalten machte, wieder ihren Platz einzunehmen, doch das verhinderte Angelina, indem sie sich erkundigte: "Sicher wohnt Ihr hier bei Euren Verwandten, sind das die Eltern dieser Lydia oder Lycia?"
Darauf erschrak Lucia noch heftiger als vorhin und konnte kaum ein Stottern verhindern: "W-wen meint Ihr?"
"Ihr seid ja
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