Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
allgegenwärtig. Verfolgt also diese Vorstellung mit höchster Aufmerksamkeit und lasst euch das Ende dieses Spitzbuben eine Warnung sein, auf dass niemand von euch auf betrügerische Abwege gerät."
Nach diesen gewichtigen Worten trat er unter Verspottungen der Neckgeister ab.
Gleich darauf öffnete sich der Vorhang. Auf der Bühne war ein Marktplatz errichtet, auf dem der angekündigte Händler stand, der fröhlich seine Waren, allerlei Küchengeschirr und -geräte, anbot. Und auch hier trieben die zwei unsichtbaren Neckgeister ihre Possen. Nicht dass sie den Händler foppten, nein, sie unterstützten ihn sogar, indem sie gekonnt die Marktbesucherinnen zum Kauf seiner Waren anregten. Mit Zaubertricks ließen die frechen Kerlchen mal eine Schale bunter, eine eiserne Pfanne leichter oder ein Besteck glänzender erscheinen, worauf die Frauen eifrig zugriffen. Der Händler wurde immer reicher und sein Angebot immer erlesener.
Von diesem verkaufstüchtigen Händler erfuhr bald jener Steuereintreiber, der eingangs als Ansager aufgetreten war und frohlockte: "Den Ganoven knöpfe ich mir vor!"
Er suchte ihn auf dem Markt auf und hielt ihm vor, für seinen aufwendigen Stand eine viel zu geringe Gebühr entrichtet zu haben, die müsse er jetzt nachzahlen, zusammen mit einem Strafgeld. Summa summarum zwölf Dukaten! Der eingeschüchterte Händler holte seine verborgene Börse hervor und zählte ihm die Münzen auf die Hand. Worauf sich der Steuereintreiber zur Seite drehte und die Dukaten nicht in das an seinem Gürtel hängende Amtssäckel steckte, sondern grinsend in seine Wamstasche.
Diese Pointe löste bei den Zuschauern ungebremstes Lachen aus, verbunden mit entsprechendem Applaus, und gleichzeitig fiel der Vorhang.
Die Darsteller mussten sich anschließend auf der Bühnenrampe wieder und wieder verneigen. Bald holten sie auf Zurufe des Publikums auch ihren Regisseur, Leonardo, herbei, worauf Bravorufe laut wurden, und Leonardo strahlte über diesen Erfolg nicht weniger als die Darsteller.
Das Publikum hatte sich bald auf dem weiten Schlossgelände zerstreut. Auch Lucia und Carlo vertraten sich jetzt gerne ein wenig die Beine, wobei sie so mancher Persönlichkeit begegneten, ohne sie persönlich zu kennen. Denn Herzog Ludovico war ein Förderer von Kunst und Kultur, beispielhaft für alle italienischen Regenten, weshalb es stets etliche namhafte Künstler, Dichter und Philosophen aus ganz Italien zu seinen Veranstaltungen zog. Jetzt entdeckten Lucia und Carlo durch eine Menschenlücke Bernardino mit seiner Gattin an einem langen Tisch, gingen zu ihnen, und beim näher Treten erkannten sie, dass auch Giovanni mit seiner jungen Schwester Maria sowie alle fünf in der Gießerei beschäftigten Künstler bei ihnen saßen, die sie alle lachend herbeiwinkten.
Erfreut nahmen sie zwischen ihnen Platz, um den jetzt mitten im Hof zu erwartenden Vorführungen zuzuschauen.
Bald traten dort in glitzernden Anzügen sechs Jongleure auf, und nach einer kurzen Pause lachten sie über die Darbietung eines tapsigen Tanzbären. Währenddessen entdeckten sie da und dort ihren Maestro in heute weiß-rotem Festanzug. Er hatte allüberall zu tun, winkte ihnen aber dennoch hin und wieder zu,
Erst als alle die Vorführungen beendet waren, fand er etwas Zeit für sie,
nahm an ihrem langen Tisch Platz, leerte mit durstigen Zügen einen Becher
Apfelmost und teilte ihnen dann mit, dass alle Gäste im Schloss beherbergt werden, ihre Bottega brauche also diesmal niemanden aufzunehmen. Nun trat ein Hofrat zu ihm, mit der Botschaft, die Hoheiten erwarteten ihn unter ihrem Baldachin. Leonardo nickte zustimmend, doch statt sich umgehend auf den Weg zu begeben, ließ er den Hofrat hinter sich stehen und wandte sich wieder seinen Leuten zu:
"Wer weiß, ob ich nochmal Gelegenheit finde, euch diesen Rat zu erteilen - lasst euch morgen nicht den Einzug der Turnierkämpfer entgehen, der wird ein Erlebnis."
"Und das Turnier selbst?", wollte Carlo erfahren, worauf Leonardo mit skeptischer Miene zurückgab:
"Das ist nicht jedermanns Geschmack, Carlo. Jedenfalls werden die Kämpfer auf ihren Pferden von der Viale Fines her durch diesen Hof ziehen, dann links am Palast vorbei, und von da an habe ich für die Zuschauer rechts und links des Weges bis hin zum Turnierplatz Stufenpodeste errichten lassen. Sucht euch dort rechtzeitig Plätze, denn von den Podesten aus hat man einen weiten Überblick."
Während der letzten Worte hatte er sich erhoben, und erst jetzt folgte
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