Hexenlicht
Frauen los? Wieso wollen sie mich in den Tod locken? Sie können mir doch auch gleich sagen, dass ich abhauen und mich mit einer anderen verabreden soll. Ich hab das nicht verdient! Und ich komme mir dabei vor wie … wie ein haariges Ungeheuer aus einem B-Movie, das Jungfrauen frisst. Tja, das ist das Klischee. Mann, ist das Leben ätzend!«
»Deshalb saugt unsereins es ihnen aus. Das beste Gegenmittel gegen eine miese Stimmung ist eine noch miesere Einstellung.«
Perry lachte. »Ja, jetzt erkenne ich, wieso ich persönlich wachsen kann, indem ich mit dir zusammen bin.« Er beugte sich vor, eine Hand um sein Glas geschlungen. »Wo wir gerade von Monstern reden: Dreh dich jetzt nicht um, aber der Wunderknabe ist eben hereingekommen.«
Alessandro drehte sich doch um, weil er nicht genau wusste, wen Perry meinte, und ihm blieb der Mund offen. Ben Elliot stand da, in einem Club, in dem es von Werwölfen und Vampiren wimmelte, und blickte sich um wie ein Tourist bei seinem ersten Rundgang auf einem Kreuzfahrtschiff. Mit morbider Faszination sah Alessandro zu, wie Ben an die Bar ging und sich einen Drink bestellte.
»Was macht er hier?«, fragte Alessandro sich laut.
»Und guck mal, wer ihn gleich begrüßt. Scheißkerl!«
Damit war Pierce gemeint. Alessandro hatte ihn zuvor nicht bemerkt. Er hatte an einem Tisch mit einer Handvoll Albion-Vampiren gesessen und trug einen leichten Leinenanzug, der eher nach Miami gepasst hätte als ins regnerisch-herbstliche Fairview. Mit seinem Dreitagebart und dem türkisfarbenen Seidenhemd sah er ganz nach »Miethengst« aus.
Alessandro schaute genauer hin. Pierce lehnte halb an der Bar, eine maßgeschneiderte Hinterbacke an den Hocker neben Bens gelehnt. Vollkommen ruhig bestellte er sich ebenfalls einen Drink und wandte sich mit einem strahlenden Lächeln Ben zu.
Dieser antwortete mit einem weniger lässigen, eher geschäftsmäßigen Nicken, als hätte er erwartet, Pierce hier zu treffen.
Kennen die beiden sich?
»Meinst du, Elliot vergnügt sich in beide Richtungen?«, fragte der Werwolf nachdenklich. »Hätte ich nicht gedacht, aber dem Augenkontakt nach sieht das ziemlich nach Aufreißen aus.«
Ben gab Pierce etwas. Es ging sehr schnell und zu versteckt, als dass Alessandro sehen konnte, was es war. Pierce steckte es in seine Hosentasche.
Alessandro und Perry wechselten erstaunte Blicke.
Was könnte ein prohumaner Professor mit einem Vampir-Gigolo zu schaffen haben?
»Du entschuldigst mich«, sagte Alessandro und stand auf. Offenbar hatte er noch etwas zu erledigen, ehe er ging.
»Was hast du vor?«
»Entweder das Kätzchen retten oder es fressen. Ich weiß noch nicht, worauf es hinausläuft.« Er schritt über den Holzboden und spürte das Gewicht seines langen Ledermantels, der beim Gehen aufschwang.
Pierce sah ihn kommen und rutschte von seinem Barhocker, bevor Alessandro bei ihnen ankam. Damit war der Hocker neben Hollys Exfreund frei. Alessandro setzte sich, worauf Ben ihn mit einem Ausdruck unverhohlenen Missfallens bedachte. Anscheinend hatte er vergessen, dass Alessandro an seiner Rettung aus dem Flanders-Haus beteiligt gewesen war.
»Was machen Sie denn hier?«, erkundigte Alessandro sich, der sich seinerseits keine Mühe gab, seinen Ekel zu verbergen.
»Was geht Sie das an?«
»Reine Neugier.«
Vielleicht lieferst du mir einen Grund, dir das Genick zu brechen
.
Ben nippte an einem Getränk, das wie Cola-Rum roch, und stellte das Glas sorgfältig wieder auf den Untersetzer. Seinem glasigen Blick nach zu urteilen, hatte er schon weit vor seiner Ankunft hier mit dem Trinken begonnen. »Ich wollte mir unsere paranormalen Mitbürger einmal in ihrer natürlichen Umgebung ansehen. Ich dachte, hier finde ich am ehesten heraus, wieso Holly sie mir vorzieht.«
»Und, haben Sie die Antwort gefunden?«
»Nein. An euch ist gar nichts Besonderes.« Ben blickte sich verdrossen um. »Ich begreife es nicht.«
Nein, wohl nicht.
»Was wollten Sie von Pierce?«
Ben senkte den Kopf, um Alessandros Blick zu meiden. »Er sagt, dass er mich herumführen kann.«
Ein Anflug von Mitleid regte sich in Alessandro, der jedoch gleich von Ekel und Ungeduld verdrängt wurde. »Glauben Sie, eine Führung durch unsere gemütliche kleine Höllennische kann Ihnen erklären, warum Holly lieber sie selbst sein will statt ein weiblicher Klon von Ihnen? Sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, sie so zu lieben, wie sie ist?«
Ben antwortete nicht, sondern trank noch einen
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