Hexenlicht
Schluck.
»Gehen Sie nach Hause, Elliot! Ihnen würde nicht gefallen, was Pierce Ihnen zeigt, und ich möchte nicht, dass Holly in der Zeitung über Ihren Nachruf stolpert. Am liebsten wäre mir, sie würde überhaupt nie wieder an Sie denken.«
Er nahm Ben seine Cola-Rum ab und hievte ihn vom Barhocker. Er konnte es sich ohne weiteres leisten, großzügig zu Ben Elliot zu sein, denn dieser Mann stellte keine Gefahr für ihn dar.
Mit Perrys Hilfe verfrachtete er den Professor in ein Taxi. Der junge Werwolf machte sich ebenfalls auf den Weg, um den letzten Bus zu bekommen, und eilte durch den Nieselregen davon.
Alessandro blieb draußen vor dem »Sinsation« stehen und sortierte seine Gedankenfäden. Es war zwei Uhr morgens. Vor etwa einer Stunde hatte er geplant, nach Mac zu suchen, und noch blieb ihm Zeit, einiges zu erledigen.
»Wo ist Elliot hin?«
Gereizt drehte Alessandro sich zu Pierce um. »Er war betrunken und wusste offensichtlich nicht, was er tat. Aber das dürfte dir ja bereits klar sein.«
»Hast du gedacht, ich wollte ihm ein bisschen Spaß zeigen?«
»Ja, das dachte ich.«
»Aha. Okay.«
»Irre ich mich?«
»Tja, was sollte ich auch sonst vorhaben?«
Gute Frage.
Aber eventuell deutete Alessandro auch zu viel in die Bemerkung hinein.
Pierce ist ebenfalls betrunken.
Was Alessandro ein wenig beeindruckte, denn es bedurfte einiger Drinks, ehe ein Vampir einen Rausch bekam. Pierces Zustand sprach für jahrelange Gewohnheit und Übung.
»Jedenfalls habe ich dem Professor keine Kostenerstattung angeboten«, fuhr Alessandro fort, der vermutete, dass es Geld war, was vorhin den Besitzer gewechselt hatte.
»Sein Geld ist schon längst ausgegeben«, erwiderte Pierce mit einem ätzenden Grinsen. »Texas Hold’em kann verflucht heikel sein. Es war noch ein gewisser Betrag offen.«
»Elliots Blödheit sollte bestraft werden.« Wie Pierce auch, der für seine Spielschulden berüchtigt war.
»Was schert dich der Professor? Er ist ein Arsch.«
Stimmt.
Alessandro zündete sich eine Zigarette an. »Warum ist er dir so egal?«
»Weil ich verabscheuenswert bin. Das macht vieles einfacher.«
»Und du setzt dich gern selbst herab.«
»Das ist meine Sache, nicht deine, nicht die der Königin. Ich verkaufe lediglich, was sie sowieso nicht will. Wer hätte gedacht, dass es so viel Bares wert ist?«
»Es verletzt sie, dabei zuzusehen, wie du weißt.«
»Ja, das soll es auch.«
Alessandro lachte.
»Ist das witzig?«
»Ich war heute Nacht ziemlich deprimiert. Und dann fing ich an, mit anderen zu reden.«
»Wie auch immer – ich brauche einen Drink.« Pierce schwankte ein bisschen, als er wieder zur Clubtür ging.
Alessandro blickte nachdenklich in die Nacht hinaus.
Auch wenn eine Beziehung mit Holly unmöglich erscheint, gibt es eventuell noch Hoffnung. Wenigstens sind wir beide nicht wahnsinnig, und das muss doch auch etwas gelten.
Schließlich machte er sich auf zu seinen nächtlichen Erkundungen. Er nahm sein Handy aus der Tasche und stellte es ab, ehe er den St.-Andrews-Friedhof betrat.
Ein eisiger Klumpen bildete sich in seinem Bauch.
Er hatte fünf Nachrichten von Omara erhalten, alle im Abstand von jeweils dreißig Minuten eingegangen.
Was nun?
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22
D ienstags hatte Holly zwei Vormittagsveranstaltungen: Marketing und Finanzbuchhaltung. Sie ging hin, weil sie keine Ahnung hatte, was sie sonst tun sollte, aber beide Veranstaltungen waren glatte Zeitverschwendung. Die Vorlesungen über Gewinn- und Verlustrechnung und Produktvertrieb rauschte an ihr vorbei, während sie auf dem unbequemen Holzstuhl in dem überheizten Hörsaal hin- und herrutschte.
Die Erinnerungen an letzte Nacht holten sie wieder und wieder ein, ließen Bilder durch ihren Kopf ziehen und ihren Puls rasen. Die Bilder von Alessandro, der sie berührte – sie konnte seine Finger immer noch auf ihrer Haut fühlen –, waren um ein Vielfaches reizvoller als jede Phantasie. Er hatte recht: Sie würde die Nacht mit ihm nicht vergessen können. Nie.
Und das, obwohl er sie nicht gebissen hatte.
Wie war es möglich, dass er es nicht getan hatte? Heilige Göttin, wie wäre es erst, wenn er sie biss?
Holly wechselte von einem Gebäude zum nächsten, stieg Treppen hinauf und sortierte Lehrbücher, eingefangen in ihrem privaten Drama. Die Gesichter der anderen Studenten trieben vorbei, nichtssagend wie Tauben.
Ich bin echt der letzte Heuler! Vielleicht hat er das mit dem Blut übersprungen und sich direkt mein Gehirn
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