Hexenlicht
Alessandro. »Du siehst fertig aus.«
»Alles«, knurrte Perry, »ich hasse mein Leben.«
So bizarr es anmuten mochte, fand Alessandro diese Bemerkung tröstlich. Als würde Perrys Elend sein eigenes mindern. »Wenigstens hast du ein Leben«, konterte er trocken. »Versuch mal, sechshundert Jahre lang untot zu sein!«
»Oh ja, wie tragisch! Ist dir klar, was für ein Schwein du hast? Du kriegst keine Flöhe und musst keine drei Anfängercomputerkurse geben, in denen komplette Idioten bloß darauf warten, dass du dich in Fido verwandelst und auf den Hauptrechner strullst.« Verärgert zurrte Perry an seinem übergroßen T-Shirt.
Alessandro lehnte sich zurück. »Nein, diese spezifischen Nachteile blieben mir erspart.«
Einer der Kellner kam und brachte Perry noch ein Bier und Alessandro seinen üblichen Rotwein. Es hatte einiges für sich, Stammkunde zu sein, auch wenn ihm eigentlich nicht nach Wein war.
Der Kellner blieb stehen. »Stimmte etwas mit Ihrem Mahl nicht, Sir?«, fragte er Alessandro, worauf Perry interessiert die Brauen lüpfte.
»Das Mahl war bestens. Ich stellte lediglich fest, dass ich doch keinen Appetit hatte.«
»Sehr wohl, Sir. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn ich Ihnen etwas anderes bringen darf.« Damit ging der Kellner.
»Okay.« Perry klappte seinen Laptop zu. »Ähm, Dad sagte, die Königin hätte ihn wegen irgenwelcher Portale zur Höllendimension angerufen.«
»Und du denkst, ich weiß etwas.«
»Tja, was soll ich sagen? Du hast irgendwie diese Apokalypsen-Visage – plus: Wir haben den Fehlwandler im Waschcenter gefunden. Irgendetwas ist doch los.«
Alessandro trank sein halbes Glas in einem Schluck. Vielleicht wollte er den Wein doch. »Es wäre verfrüht, jetzt schon Panik zu verbreiten. Die Königin verständigt alle Anführer der übernatürlichen Gemeinde, damit sie Zeit haben, sich zu beraten. Sie sollten auf möglichen Ärger achten, denn der könnte jederzeit auftreten.«
»Was für Ärger?«
»Ein Dämon.«
»Kein Wunder, dass du so angespannt bist!«
»Es war eine üble Woche.«
»Da ist mehr als ein Dämon, richtig? Meine Wölfchensinne schrillen.«
Okay, Alessandro störte es nicht sonderlich, dass Perry so neugierig war. Sein Interesse mochte durchaus echt sein. Werwölfe waren entweder Freunde oder nicht. Und aus irgendwelchen Gründen hatte Perry sich mit ihm angefreundet.
»Ich hatte einen dieser Abende, an denen ich begreife, was ich bin. Wir sehen menschlich aus und tun viele Dinge so wie Menschen. Darüber vergesse ich manchmal, dass ich ein Monster bin.«
Perry gab dem Kellner ein Zeichen, dass er mehr Alkohol bringen sollte. »Ja, ich weiß, was du meinst.«
»Du? Du bist doch der Musterknabe der Integration: jung, gutaussehend, brillant. Wenn du dich nicht einfügen kannst, haben wir anderen nicht einmal den Hauch einer Chance.«
Perry starrte in sein Bier. »Ach, tja, was soll’s? Ich hatte nach dem Kurs noch ein Date, nichts Aufregendes, nur ins Kino.«
»Und?«
»Das Mädchen stellte sich als einiges mehr heraus als bloß eine umwerfend scharfe Roller-Derby-Braut. Ich
hasse
diese Bürgerwehr-Freaks!«
»Roller-Derby-Braut?«
»Eben nicht, sondern eine verkackte selbsternannte Jägerin. Sie hat versucht, mich zu köpfen! In ihrem Auto hatte sie so ein beschissenes Samurai-Schwert, und mit diesem Monsterteil kannst du gar nicht danebenhauen. Ich meine, was hat sie denn gedacht, was ich mache? Sie im Kinosessel ausweiden? Mann, die Kleine war ja wohl derart durchgeknallt!«
Eigentlich war es nicht witzig, aber Alessandro musste schmunzeln. »Ist das nicht die gängige Quittung dafür, wenn man sich außerhalb des Rudels nach Spaß umsieht?«
Perry zuckte mit einer Schulter. »Ich wollte wohl mal was Exotisches. Es ist ja nicht so, als würde ich jemals eine Sterbliche heiraten oder so. Ich meine, ich will irgendwann mal eine Familie. Aber unsere Gene würden sich schlicht nicht vertragen.«
Bei Werwölfen drehte sich alles um ihre Jungen. Eine Familie war etwas, das Alessandro nie haben würde. Holly hingegen könnte. Nein, Holly
sollte
. Da war so vieles, was er ihr nicht geben konnte.
Aber sie machte mir ein strahlendes Geschenk: Sie wollte mich. Zumindest weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden – weder wegen noch trotz der Tatsache, dass ich ein Vampir bin. Einfach um meinetwillen.
Perry, der keine solche Epiphanie erlebt hatte, leerte sein Bierglas. »Ich schnall’s einfach nicht! Was ist mit den menschlichen
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