Hexenlicht
Mund staubtrocken wurde.
»Ben, ich verstehe deine Sorge, aber meine Arbeit ist nicht schlimmer als die eines Feuerwehrmanns, eines Polizisten oder eines Soldaten. Es gibt haufenweise gefährliche Jobs, und ich mache zufällig einen davon.«
»Aber wieso du?«
»Weil ich es kann.«
»Trotzdem
musst
du es nicht tun.«
»Es gibt nicht besonders viele Leute mit meinen Talenten. Und mir gefällt der Gedanke, dass ich etwas anzubieten habe.«
»Ist dir das so wichtig, dass du alles dafür riskierst?«
Holly merkte, dass ihr Urteilsvermögen ins Wanken geriet wie ein wippendes Glas auf einer Tischkante. »Ich habe dir gestern Abend das Leben gerettet, schon vergessen? War das nicht wichtig?«
Ben wandte sein Gesicht ab. Es war klar, dass er sich die Widerworte verkniff, die sie nicht hören wollte.
Eine rasende Wut überkam sie. »Ich achte, was ich tue. Es steht für das, was ich bin. Und es ist mir wichtig.«
»Ja, ich hab’s kapiert.«
»Dann solltest du mich unterstützen. Lass mich dir ein paar simple Zauber beibringen! Es gibt einige Schutzzauber, die Menschen lernen können, um sich zu verteidigen. Vielleicht fühlst du dich dann wohler in meiner Welt.«
»Kommt nicht in Frage! Sie macht mir Angst«, entgegnete er ruhig. »Ich hatte nicht gedacht, dass es so kommen würde, aber es ist so. Du kannst lauter Sachen machen, die ich nicht einmal verstehe.«
»Na und? Du bist Wirtschaftswissenschaftler. Euch versteht auch keiner.«
»Dies ist wohl kaum der geeignete Moment für Scherze.« Er vergrub seine Hände in den Jackentaschen. »Du bist mit alldem aufgewachsen. Du besitzt außergewöhnliche Kräfte. Ich hingegen wusste bis vor ein paar Jahren nicht einmal, dass es solche wie dich gibt!«
Solche wie dich.
Wie viele hatten sich im Laufe der Geschichte diese oder ähnliche Phrasen anhören müssen, die gegen sie gerichtet wurden?
Er zog eine Schulter so weit hoch, dass es seltsam jungenhaft anmutete. »Ich habe Mühe, mich mit der neuen Welt zu arrangieren. Und ich fühle mich unwohl, wenn ich so viel Magie nahe bin.«
Mit ihr schläfst, meinst du?
»Ich kann eben nicht mit dir mithalten. Es ist, als würde ich plötzlich in der Nahrungskette nach unten versetzt. Ich begreife ja nicht einmal, wieso du mit jemandem wie mir, einem total gewöhnlichen Kerl ohne Superkräfte, zusammen sein willst. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.« Er schabte mit den Füßen. »Solange ich nicht sehen muss, wozu du fähig bist, kann ich es verdrängen und locker bleiben. Aber das geht seit gestern nicht mehr. Seither ist alles anders.«
Holly hickste, als ein Schluchzer in ihrem Hals aufsteigen wollte. »Dir ist also jetzt erst aufgefallen, dass ich eine Hexe bin? Falls ja, kann es so wahnsinnig erschreckend nicht sein.«
»Das meine ich ja gerade! Wir können das problemlos in den Griff kriegen. Ich kündige meine Wohnung, und du verkaufst dein Haus.«
»Oh nein!« Holly nahm die Arme herunter, so dass ihre Hände nutzlos an ihren Seiten baumelten. Er hörte ihr nicht zu!
»Lass uns zusammen neu anfangen, als ganz normale Leute in einer ganz normalen Wohnung, wo alles gleich und gerecht für uns beide ist. Du kannst studieren, ich kann unterrichten.«
»Gleich und gerecht?«, wiederholte sie.
Du meinst eine magiefreie Zone.
Er hatte die Ausbildung, das Geld und die reichen Verwandten. Sie waren nette, freundliche, großzügige Leute, aber sie besaßen so viel. Alles, was Holly hatte, waren sie und ihre Magie. Und die waren ein und dasselbe. Gab sie sie auf, die kleine, die große oder die Sparpackmagie, hätte sie gar nichts mehr. Dabei bedeutete ihr sogar der Schmerz etwas, weil er ihr gehörte.
Ben hielt eine Hand in die Höhe. »Nein, sag nichts! Denk darüber nach! Ich rufe dich morgen an. Vielleicht können wir irgendwo frühstücken gehen und über alles reden.«
»Klar«, antwortete Holly, die ihre Augen weit aufriss, um die drohenden Tränen zu vertreiben. »Frühstück hört sich gut an.«
»Schön.« Ben küsste sie ein letztes Mal – ein kleiner Schmatzer auf ihr Haar. »Deine Hände zittern.«
Holly öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Dann presste sie ihre Hände zusammen. Sie waren kalt, aber ihre Wangen glühten. »Gestern Abend war es auch für mich hart.«
»Natürlich war es das.« Er drückte ihre Hände kurz. Ben roch nach Seife und altem Holz, was sie an die Nachmittage erinnerte, die sie gemeinsam auf dem Campus-Rasen gelegen hatten.
Ich brachte ihm sein Mittagessen, und
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