Hexenlicht
die ihr über den Körper und in Mund und Nase liefen. Dann hörte es auf, als wäre die Tür wieder zugeklappt. Es verging ein kurzer Moment, in dem Holly nicht atmete. Brekks blies sich zur doppelten Größe auf und zischte wie eine Cappuccinomaschine.
Der Korridor im zweiten Stock zog sich über die ganze Hauslänge hin. Bei den Zimmern rechts und links handelte es sich zumeist um alte Schlafzimmer, in denen wenige antike Möbel standen und sich Wollmäuse ansammelten. Das mittlere Zimmer links war das Kinderzimmer, und aus seiner Tür drang fahles Licht.
In dem Raum gab es keine Lampen.
Mist!
Holly trat einen Schritt vor, dicht gefolgt von Brekks, der sicherheitshalber auf Tuchfühlung mit Hollys Knöchel blieb. Das durchnässte Handtuch auf ihrem Kopf raschelte bei jeder Bewegung, weshalb sie es ungeduldig herunterriss, so dass ihr die tropfenden langen Haarsträhnen über den Rücken fielen. Das Handtuch wie eine Sicherheitsdecke vor die Brust gepresst, schlich sie weiter, bis sie in das Zimmer lugen konnte.
Brekks machte blitzschnell kehrt und raste unter lautem Krallengeschabe die Treppe hinunter. Das Letzte, was Holly von ihm sah, war sein wippender weißer Po in der Dämmerung. Ihr blieb die Luft weg, als sie sich zum Kinderzimmer umdrehte und hineinsah. Kein Wunder, dass der Kater geflohen war, denn was Holly nun erblickte, dürfte sein schlimmster Albtraum gewesen sein.
Mäuse waren niedlich, wenn sie klein waren. Kamen sie allerdings zwei Meter lang, feindselig und glühend daher, schrumpften ihre Reize doch beträchtlich. Aber, hey, das war immerhin kein Schleim!
Die schmutzige weiße Kreatur bemerkte Holly und knurrte. Ihre Schnurrhaare, dick wie Kleiderbügeldraht, richteten sich bebend auf, als das Ding Zähne entblößte, die es in puncto Länge mit Hollys Schienbeinen aufnehmen konnten. Das hier würde kurz und schmerzvoll werden. Holly ermahnte sich, ruhiger und tiefer zu atmen.
Denk nach!
Nach dem gestrigen Kampf im Höllenhaus war ihre Magie ziemlich am Ende. Was sie zustande brachte, würde nur für einen einzigen Schlag reichen. Also versuchte sie erst einmal etwas anderes.
Holly setzte ein sehr überzeugendes Strahlen auf und sagte: »Hi, Mäuschen!«
Mäuschen fauchte, wobei es seine gelblichen Zähne vorstreckte und Mäusesabber auf den Flurteppich spritzte. Etwas an den langsamen schlängelnden Schwanzbewegungen war verkehrt. Wieder knurrte die Riesenmaus rasselnd. Holly war so was von geliefert. Und in einer recht bizarren Hommage an Douglas Adams’
Per Anhalter durch die Galaxis
stand ihr nichts als ein Handtuch zur Verfügung, mit dem sie arbeiten konnte.
Das schleuderte sie nun.
»Frottee eleison!«
, schrie sie. Diesen Zauber hatte sie sich spontan ausgedacht.
Das Handtuch flog aus ihrer Hand und breitete sich aus. Schwer vom Wasser aus Hollys Haaren, landete es klatschend auf der Mäuseschnauze. Holly versuchte, wegzulaufen, verfing sich aber im Saum ihres langen Nachthemds und fiel hin. Sofort rappelte sie sich wieder hoch, wobei der flauschige Baumwollstoff einriss. Deshalb hatten Supermänner ausschließlich Gymnastikanzüge an!
Mäuschen bäumte sich auf und kratzte mit seinen Vorderpfoten nach dem magisch klebenden Handtuch. Unterdessen wich Holly in den Flur zurück. Wütend und blind kippte die Maus nach vorn, so dass ihr Kopf krachend gegen den alten Eichentürrahmen schlug. Sie kreischte vor Zorn, was Holly an reibendes Metall erinnerte.
Peitschengleich schnellte der Schwanz vor und um Hollys Knöchel. Sie merkte es erst, als er sich festzog, dann aber verbrannte er ihre Haut wie Säure.
Mit einem Schmerzensschrei feuerte Holly alle Energie ab, die sie aufbringen konnte. Sie reichte, um Mäuschen eins auf die Nase zu geben. Tatsächlich glitschte der Schwanz weg, und Holly krabbelte rückwärts. Ihre verbrannte Haut roch scheußlich.
Im nächsten Moment schlug der Schwanz erneut nach ihr, doch diesmal war sie darauf vorbereitet. Sie rannte den Flur hinunter. Immer noch blind, stürzte die Maus abermals nach vorn. Holly lief, rutschte und stolperte die Stufen hinunter, beide Hände auf dem Geländer.
Mäuschen verfolgte sie.
Auf halber Höhe packte Holly das Treppengeländer fester und machte eine Hockwende, wie sie es als Kind immer getan hatte. Sobald sie ihr ganzes Gewicht auf das Geländer verlagerte, knackte es laut. Aber das alte Holz hielt. Holly landete mit einem »Hmpf« auf allen vieren im unteren Flur.
»Frottee eleison!«
, keuchte sie nochmals,
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