Hexenlicht
viel für ein Kind.«
»Unterdrückte Erinnerungen also?«
»Wer weiß? Hexen halten sich nicht an die Lehrbuchbeispiele, wenigstens sagen sie uns das dauernd.« Mehr wollte Holly wahrlich nicht erzählen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ging Alessandro zur Hausbar und öffnete die Türen weit. »Wasser ist nicht das Richtige. Was willst du trinken?«
»Scotch, ohne alles«, antwortete sie automatisch.
Er grinste. »Eine echte Kriegerin.«
»Was denkst du denn? Ich hatte ein paar harte Tage«, erwiderte sie gereizt.
Er schenkte ihr ein und reichte ihr das recht großzügig gefüllte Glas. »Trink das, und geh ins Bett! Du kannst Schlaf gebrauchen.«
»Mit einer freilaufenden Dämonenmaus im Haus?« Sie nippte an dem flüssigen Feuer und stellte das Glas ab. »Soll ich nicht lieber woanders übernachten? Oder findet mich das Ding sowieso überall?«
Alessandro nahm ihre Hand, kühl und fest. »Der Dämon ist inzwischen weit weg. Solche Kreaturen bleiben normalerweise nicht in Portalnähe. Sie suchen sich neue Jagdgründe. Also wird hier heute Nacht nichts mehr passieren.« Er drückte ihre Hand und ließ sie wieder los. »Trotzdem vergewissere ich mich noch einmal, dass wir hier allein sind. Ich überprüfe sämtliche Ecken und Schränke, und ich passe auf, solange du schläfst.«
»Wolltest du nicht auf Jagd gehen?«
Ein träges Lächeln trat auf seine Züge, bei dem jede Frau dahingeschmolzen wäre. Das hatte Holly noch nie gesehen, und ihr blieb beinahe das Herz stehen. »Du bist mir wichtiger«, sagte er schlicht.
Während sie noch sprachlos war, küsste er sie auf die Stirn, genau wie zuvor, nur beließ er es diesmal nicht dabei. Seine Lippen streichelten ihre Augenlider und glitten tiefer, um einmal, ganz kurz, von ihrem Mund zu kosten. Diese simple Geste barg alle Finesse eines begabten Liebhabers. Tja, jahrhundertelanges Training eben.
Ein Kribbeln durchfuhr Holly, teils von Magie, teils von purem Verlangen ausgelöst, und sie musste sich beherrschen, um nicht zu stöhnen. Sie fühlte, wie seine Finger ihren Hals hinaufstrichen, bis sie in der Kuhle unterhalb ihres Ohrs verharrten. Könnte sie dort seine Lippen spüren … Ihre Knie drohten nachzugeben, und ihr Herz setzte endgültig aus. Dann bemerkte sie das gelbe Funkeln in seinen Augen.
Raubtier.
Schlagartig bekam sie Angst, ergriff seine Hand und zog sie weg. »Nein. Hör auf, ehe ich nicht mehr nein sagen kann!
Bitte!
«
»Keine Sorge!«, raunte Alessandro ihr zu, der ihr einen letzten Kuss gab. »Ich weiß, was ich nicht haben kann. Künftig werde ich bei dir auf der Hut sein.«
Mit diesen Worten vergrößerte er den Abstand zwischen ihnen, bis er Holly wie ein weiter Ozean erschien. Ihre Glieder waren schwer und erhitzt, also nahm sie ihren Drink, um Alessandros Blick auszuweichen. Vielleicht wusste er, was er nicht haben konnte, aber ihr Körper konnte sich keineswegs für Abstinenz begeistern.
Dennoch durfte Holly es nicht darauf ankommen lassen. Sie hatte das meiste zu verlieren, sollte Alessandro sich zu mehr hinreißen lassen.
Mordende Häuser, Vampire, Dämonen. Heilige Hekate, ich habe so viel Mist auf Lager, dass ich demnächst dafür anbauen muss!
Was sie zu einer anderen Frage brachte. »Du hast gesagt, dass der Dämon mich gern wandeln würde. Was hast du damit gemeint? Ist es anders als …«
Er antwortete nicht gleich. Zunächst erstarb sein Lächeln, denn er begriff, was sie nicht aussprach.
Anders als von einem Vampir verwandelt zu werden.
»Es ist schlimmer, viel schlimmer. Sie nennen es den Schwarzen Raub. Die meisten Dämonen haben als Menschen angefangen.« Alessandro sah wieder zur Seite. »Sie verschlingen deine Seele und machen dich zu einem von ihnen. Einem Nichts. Einer Negativkopie deiner selbst.«
Bei seinem Tonfall fröstelte Holly. »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«
Auf einmal schwand alle Farbe aus seinem bereits blassen Gesicht. »Ja.«
[home]
10
H allo, Brian.« Macmillan setzte sich an die Bar. Er war auf einmal vollkommen ausgehungert. Kein Wunder, denn seit Tagen hatte er nichts Anständiges mehr gegessen!
»Hallo, Mac. Wie läuft’s?«, fragte der Barkeeper, ein großer kräftiger Mann in den Vierzigern, der immer noch fit genug war, um allein mit aufmüpfigen Gäste fertig zu werden.
Der Bayshore Pub bildete ein Ende der Einkaufszeile gegenüber dem St.-Andrews-Friedhof und war Macs Lieblingslokal, weil es so nahe am Polizeirevier lag und er hier verlässlich einen Parkplatz
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