Hexenlicht
letztlich werden Leute zu Schaden kommen. Ich werde mit dem Schmerz leben, wenn ich den Dämon so für immer loswerde, und zwar
jetzt sofort
!«
»Bist du dir sicher?«, fragte Grandma und sah sie prüfend an. »Wir reden hier über Magie für Große – für die Größten. Dir wird sie scheußliche Qualen bereiten, und bei einigen dieser Zauber ist es schlimmer, wenn man mittendrin scheitert, als wenn man gar nicht erst damit angefangen hätte.«
Vor Angst vollführte Hollys Magen eine Rückwärtsrolle in Zeitlupe. »Kraft ist nicht das Problem. Ich habe das Flanders-Haus geschafft. Entscheidend ist vor allem die Motivation. Der Dämon steht zwischen mir und dem friedlichen Genuss von Kursen in Integralrechnung.«
»Bist du sicher, dass du diese Richtung einschlagen willst?«
Auch wenn ihr fast der Atem stockte, wenn sie nur daran dachte, hauchte sie:
»Ich kann das!
Ich muss bloß wissen, wie.«
Nun trat eine längere Pause ein. Holly wandte sich ab, weil sie fürchtete, sie könnte schon wieder losflennen. Furcht? Stolz? Sie war nicht sicher, was das für ein Gefühl war. Zwar wollte sie diesen Schritt nicht machen, aber sie hatte keine andere Wahl.
»Dann sehen wir mal, wie wir das Viech wieder ins Gefängnis zurückbugsieren.« Grandma drückte ihre Zigarette aus, so dass sie zwangsläufig nach unten sehen musste. »Du schlägst ganz nach deiner Mutter, weißt du das?«
»Danke«, sagte Holly, die sich auf einmal wieder wie ein Kind vorkam.
»In diesen ganzen Büchern und Notizen, die wir seit Generationen sammeln, muss sich etwas finden lassen. Falls nicht, kenne ich Leute, die ich anrufen kann. Fürs Erste kannst du dir O’Shaughnessys
Zauber und Schutzzauber
leihen und die Schutzzauber am Haus verstärken. Wir wollen ja weitere Überraschungsgäste vermeiden. Das Buch steht in der dritten Reihe von oben. Guck dir Kapitel acht an!«
Holly zog das Buch aus dem Regal. Es war alt, und das dunkle Leder blätterte am Rücken ab. »Hey, da sind ja auch Bilder drin! Meinst du, von diesen Talismanen wirken welche?«
»Für immer? Schwer zu sagen. Aber sie sind zweckdienlich, bis wir etwas Dauerhafteres gefunden haben. Ich schuster dir heute Nachmittag ein paar zusammen, solange du dich um das Haus kümmerst.«
Grandma wirkte überraschend munter, als blühte ihr der größte Spaß seit Jahren. Holly überschlug, dass es wahrscheinlich zehn Jahre her sein musste, seit ihre Großmutter zuletzt aktiv gewesen war. Vielleicht war irgendwann das Soll an Canasta erfüllt, das eine Hexe aushielt, bevor es sie in den Fingern juckte, endlich wieder einmal etwas anderes als Spielkarten zu bewegen, und stattdessen ein bisschen mit den Mächten der Finsternis aufzuräumen.
Wackelig stand Hollys Großmutter auf und öffnete die Schublade ihres Buffets, in der sie ihre magischen Instrumente aufbewahrte. Sie fing an, Glasröhrchen mit getrockneten Sachen, Garnrollen und Federn hervorzuholen – alles Zutaten für Talismane, solche, die man an Häusern anbrachte, wie auch jene, die man bei sich trug. Mit ihren arthritischen Händen wickelte sie eine winzige Sichel mit weißem Griff aus, die sie liebevoll streichelte.
»Immer noch scharf«, stellte sie fest, während sie die Klinge mit ihrem Daumen prüfte. Ebenso gut hätte sie mit sich selbst reden können.
»Könnte ein Talisman für Alessandro funktionieren?«, erkundigte Holly sich, die das Buch offen auf den Tisch legte und sich wieder hinsetzte. »Er kämpft auch gegen den Dämon.«
»Sicher. Du arbeitest also immer noch mit ihm zusammen?«
»Ja«, antwortete Holly, die nichts dagegen tun konnte, dass ihre Wangen ganz heiß wurden. Grandma wusste sehr wohl, dass Alessandro nach wie vor im Spiel war. Sie fragte aus purer Neugier.
Grandma legte das Messer vorsichtig wieder ab. »Ich mag ihn, und ich kannte ihn schon lange, bevor deine Mutter geboren wurde. Aber ich wäre vorsichtig. Vampire sind nicht wie wir.«
»Er ist ein guter Partner.«
»Natürlich ist er das, aber ich weiß, wie es ist, mit Vampiren zusammenzuarbeiten. Dieser besondere Prickel erinnert mich immer an den, den ich verspüre, wenn ich eine Pralinenschachtel öffne. Es erwartet einen so viel Köstliches, aber auch so viel Bauchweh.«
»Alessandro ist nicht die Praline meines Lebens, schon gar nicht die ganze Schachtel.« Ein schrecklicher Gedanke kam Holly. »Alessandro war doch nicht
deine
Praline, oder?«
»Himmel, nein! Ich habe nie auch nur eine Ecke der Verpackung gelüpft. Ich war
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