Hexenlicht
mich zum Essen eingeladen – geschäftlich«, klärte Holly sie auf und legte die Zeitung auf den Tisch.
Grandma betrachtete das Photo und zog eine Braue hoch. Dann nahm sie einen Zug, inhalierte tief und blies den Rauch langsam wieder aus. Dabei sah sie Holly durch den Qualm hindurch an. »Aha. Zieh dir was Hübsches an!«
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12
D ie letzten Sonnenstrahlen vergoldeten die Wolkenbäuche, und Dunkelheit flutete die Innenstadtstraßen. Alessandro war auf dem Weg zu Omaras Hotel und schmiedete Pläne. Für seine Art war er außergewöhnlich früh auf den Beinen, denn es wurde eben erst dunkel genug, dass er es draußen aushielt. Aber er liebte diese Stunde, wenn die Nacht noch jung und die Stadt belebt war. Selbst nach Hunderten von Jahren konnte er dem Gefühl eines Neuanfangs noch einiges abgewinnen.
Er lief im Zickzack über eine vierspurige Straße. Die Schlange vor dem Kino reichte bis auf den Gehweg, so dass er ausweichen musste. Nachdem er an den Leuten vorbei war, blieb er wie versteinert stehen, was beinahe einen Skateboarder zu Fall brachte. Alessandros Blick jedoch war so gebannt, dass er es gar nicht recht bemerkte.
John Pierce vom Albion-Clan nämlich parkte seinen silbergrauen Cabrio ein Stück weiter unten an der Straße. Auf Alessandros Widerwillen gegen den Vampir folgte sogleich Neugier.
Warum ist das Ekel so früh unterwegs?
Normalerweise lag ein Lebemann wie Pierce um diese Zeit noch im Bett.
Alessandro tauchte in den Eingang einer Seitengasse, die zwischen zwei großen Kaufhäusern verlief. Hinter ihm befand sich nichts als Müllcontainer und Schimmel, vor ihm das Panorama der Neonlichter. Wie immer stand er auf der Schwelle dazwischen, gehörte weder in die eine noch in die andere Welt.
Pierce, der nicht ahnte, dass er beobachtet wurde, überprüfte seine Frisur im Seitenspiegel. Er trug einen blassgrauen Anzug, wahrscheinlich maßgeschneidert, dem perfekten Sitz nach zu urteilen. Der Vampir war eindeutig für eine heiße Verabredung angezogen.
Zuerst dachte Alessandro, dass Pierce auf dem Weg zu Omara wäre, doch dann schlenderte er in die andere Richtung, die Hände lässig in den Taschen, und bog um eine Ecke. Alessandro schlich ihm nach.
Verschwende ich kostbare Zeit? Bin ich bloß misstrauisch, weil ich ihn nicht leiden kann?
Beides mochte zutreffen, aber es war noch nicht allzu lange her, dass Alessandro gezwungen gewesen war, Pierces Bruder zu köpfen. Die Exekution hatte sinnbildlich für die veränderten Zeiten gestanden. Stephan Pierce hatte einen örtlichen Mechaniker totgeprügelt, weil er den Motor seines Jaguars ruinierte. Einst hatte das Auspeitschen oder Prügeln von einfachen Leuten als akzeptable Reaktion auf schlechte Dienste gegolten, aber das war heute nicht mehr der Fall – mochte man es gutheißen oder nicht.
Der Albion-Clan hieß es offenbar nicht gut. Sie waren allesamt maßlos arrogant und erkannten kaum ihre eigene Königin an, geschweige denn die Autorität der menschlichen Polizei und der Gerichte. Das menschliche Recht aber hatte nach der Hinrichtung von Stephan Pierce wegen des mutwilligen Mordes an dem Kfz-Mechaniker verlangt. Bei den Geschworenen in dem sehr kurzen Prozess hatte es sich ausnahmslos um Sterbliche gehandelt, denn bei übernatürlichen Angeklagten durften keine Unsterblichen unter den Geschworenen sein. Das Todesurteil ließ dem Angeklagten die Wahl zwischen einer Pfählung durch einen menschlichen Henker und – zum Beweis kultureller Sensibilität – dem Köpfen durch einen von seinesgleichen. Stephan Pierce entschied sich für Letzteres. Also hatte Alessandro sich der Sache mit seinem Schwert angenommen, sobald das Urteil rechtskräftig wurde. Als Königin Omaras Repräsentant war es seine Pflicht gewesen.
Allerdings machte er sich nicht vor, dass der Albion-Clan irgendetwas aus dieser schmutzigen Episode gelernt hatte.
Pierce führte Alessandro zu einem Fünf-Sterne-Hotel, dessen Eingangshalle ein Wunderland aus Marmor und Kunstobjekten darstellte. Ohne sich nach rechts und links umzublicken, steuerte Pierce auf die Lounge zu.
Vermutlich hatte man vorgehabt, sie romantisch zu gestalten, jedenfalls war Alessandro für seine übernatürliche Nachtsichtigkeit dankbar, denn der Raum war sehr schummrig. Ledersofas mit hohen Lehnen, in denen die Gäste vor neugierigen Blicken abgeschirmt wurden, umringten runde Tische. Lichterketten waren um künstliche Palmen drapiert und setzten dezente weiße und blaue Akzente. Leise erklang
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