Hexenmacht
eines Drachenkopfes gestaltet war.
Ich vermutete, dass es dort in den Keller ging.
Ich stutzte einen Augenblick.
Mein Blick hing an dieser Tür, und plötzlich stand mir die Erinnerung an meinen Alptraum sehr lebhaft vor Augen.
Der dunkle Raum, in dem ich mich, mit einer Kerze in der Hand, befunden hatte...
Die Drachenschnitzereien an den Möbeln, die jemand dort abgestellt hatte...
Ich schluckte und dachte an die Gestalt, deren Gesicht ich nicht mehr hatte sehen können.
"Etwas nicht in Ordnung?", flüsterte Steve.
Seine Stimme riss mich wieder ins Hier und Jetzt.
Ich sah ihn an und schüttelte dann den Kopf. Der ruhige Blick seiner grauen Augen sah mich dabei fragend an.
War dort unten jener Raum, wo ich mich im Traum aufgehalten hatte?
Unbehagen machte sich in mir breit aber ich war auch neugierig geworden.
Der Diener führte uns schließlich in ein lichtdurchflutetes Büro, in dessen Mittelpunkt ein kunstvoll verzierter Schreibtisch stand. Auch in dieses Möbelstück waren Drachenmotive als Schnitzereien eingearbeitet.
Mr. Wu war ein Mann in den Fünfzigern. Das schüttere Haar war streng zurückgekämmt. Sein rundes Gesicht schien reglos. Das Lächeln um seine dünnen Lippen wirkte geschäftsmäßig.
Der Diener stellte uns kurz vor, woraufhin uns George Wu sehr höflich begrüßte. Er sprach mit leiser, beinahe sanfter Stimme und deutete auf eine Sitzgruppe.
"Bitte nehmen Sie doch Platz", sagte er. "Möchten Sie etwas trinken?"
"Nein, danke", erwiderte ich, und auch Steve lehnte höflich ab.
"Ganz wie Sie wollen. Ich war immer um ein gutes Verhältnis zur Presse bemüht, Miss Vanhelsing. Wie sagte mein Vater immer? Eine gute Presse ist kostenlose Werbung..."
"So kann man das natürlich auch sehen."
"...und eine Hand wäscht die andere."
Sein Verständnis der Aufgabe, die die Presse in unserem Land innehatte, entsprach zwar ganz und gar nicht meinen Ansichten, aber ich hatte nicht die Absicht, mit Mr. Wu jetzt darüber zu diskutieren.
"Ist Mr. Craig Dutton eigentlich noch Chefredakteur bei The News?"
"London Express News", korrigierte ich. "Unser Chefredakteur ist Michael T. Swann."
"Oh", sagte George Wu verwundert. "Mein Diener sagte mir..."
"Er hat uns offenbar missverstanden."
"Dann werde ich die Akustik meiner Gegensprechanlage wohl mal überprüfen müssen."
Wenn Wu indigniert war, so verstand er es hervorragend, das zu verbergen. Wir nahmen in der Sitzecke Platz, auf die unser Gastgeber vorher gedeutet hatte. Unsere Kollegen aus der Wirtschaftsredaktion von >The News< wären ihm sicher als Besuch lieber gewesen, aber George Wu, wollte offenbar tunlichst vermeiden vielleicht in einer Boulevard-Zeitung wie der unseren als schlechter Gastgeber dargestellt zu werden.
Bevor ich mich setzte, schweifte mein Blick durch den Raum, und ich bemerkte erst jetzt die Gestalt, die in der Ecke stand.
Ich schluckte.
Die Gestalt blickte starr und kalt drein.
Und tot.
Der Blick war wie gefroren.
Es war das Gesicht eines Mannes, dessen gezwirbelter Schnurrbart ihn wirken ließ, als komme er aus einer anderen Zeit. In seinem rechten Auge klemmte Monokel. Eine Narbe,
die vielleicht von einem Säbelhieb stammten mochte, zog sich vom Ohr zur zur Wange.
Eine Wachsfigur!
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Steve und wusste im nächsten Moment, dass auch er diese Figur wiedererkannt hatte.
Sie hatte im Haus der Lady Blanchard gestanden!
Eine Verwechslung war ausgeschlossen.
Mein Puls beschleunigte sich, und ein Schauder überkam mich.
Wie kommt diese Figur hierher?, fragte ich mich und erinnerte mich daran, wie der Mann mit der Narbe zu einer unheimlichen Art von Leben erwacht war.
Auf der Insel Harris hätte er uns damals beinahe umgebracht.
"Meine Zeit ist knapp bemessen", erklärte Wu indessen.
Ich wandte mich an Steve. "Hast du den Brief?"
Er nickte und holte ihn aus seiner Jackentasche. Dann legte er ihn vor Wu auf den zierlich wirkenden Tisch in unserer Mitte.
"Dieser Brief, der angeblich von Miss Vanhelsing geschrieben wurde, ist auf Briefpapier verfasst worden, das speziell für Sie angefertigt wurde, Mr. Wu."
Wu hob den Brief, um das Wasserzeichen zu sehen.
Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.
"Das werden sie nicht abstreiten können", fuhr Steve fort. "Wir haben die Firma ausfindig gemacht, die dieses Papier anfertigte. Mit einem Wasserstempel nach dem von Ihnen gelieferten Motiv. Und dieses Motiv findet sich ja auch häufig genug hier in Ihrem Haus."
"Sie haben recht",
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