Hexennacht
Haar dringend gewaschen werden mußte.
Sie wollte so rasch wie möglich auf den Grund des Besuchs zu sprechen kommen und dann wieder verschwinden, aber die Beysiberlady inhalierte den Duft des Tees, als wäre ihr im Augenblick nichts anderes wichtig. Vanda verharrte kniend vor ihr, bis Kurrekai nickte und schließlich den zeremoniellen Schluck tat. Dann goß Vanda Tee in die Tasse ihrer Mutter und in die eigene. Gilla probierte das Getränk mißtrauisch und stellte fest, daß es angenehm schmeckte.
Rasch leerte sie die Tasse und hielt sie dann unsicher in ihrer gefalteten Hand, während die Lady in ihr Getränk geradezu vertieft schien.
Dann schließlich seufzte Kurrekai und setzte die Tasse ab.
»Meine Lady«, sagte Vanda rasch. »Ich erzählte Euch von der seltsamen Krankheit meines Vaters. Niemand in der Stadt kann uns helfen, aber Euer Volk ist weiser, wollt Ihr uns beistehen?«
»Kind, deine Sorge ist auch die meine, aber was könnte ich tun?« Kurrekai drehte langsam den Kopf in dem steifen Kragen. Ihre Stimme klang teilnahmsvoll.
»Ich hörte«, Vanda schluckte, und ihre Stimme wurde ein wenig heller. »Ich hörte, daß das Gift der Beynit viele Kräfte besitzt .«
»Ah, meine Gefährtin«, seufzte Kurrekai. Sie lehnte sich zurück, und aus einer Falte des Rocks erschien ein rotes, zuckendes Etwas, dem ein schlanker schwarzer Körper folgte. Die Schlange glitt langsam aus ihrem Versteck und rollte sich in einer Falte des Unterrocks zusammen. Gilla starrte fasziniert auf die zuckende rote Zunge und die juwelengleich glitzernden Augen.
»Es ist wahr, was du sagst. Das Gift kann ein mächtiges Stimulans sein, wenn man es auf die richtige Weise - umwandelt. Aber dein Vater ist nicht von meinem Volk, und für ihn wäre das Gift tödlich.«
»Aber es muß doch eine Möglichkeit geben!« All die Pein der vergangenen drei Wochen ballte sich in diesem Augenblick zusammen, und Gilla fand ihre Stimme wieder. Diese Frau mußte ihnen helfen!
»Ich habe nicht den Wunsch, einen Mann aus Freistatt zu töten.« Kurrekais Kopfbewegung hatte etwas Endgültiges.
Gilla stand auf, und während Vanda noch vor sich hinstarrte und die Beysiberfrau den Blick hob, ging Gilla auf die Lady zu. Als sie stehenblieb, war die Beynit nur noch wenige Handbreit von ihren ausgestreckten Fingern entfernt. Der rote Kopf schoß hoch und begann sich zu wiegen.
»Mutter, beweg dich nicht!« Vandas entsetztes Flüstern zischte durch den Raum.
Gilla hielt still, jetzt da sie ihr Ziel erreicht hatte, und zum erstenmal direkt in Lady Kurrekais runde Augen sah. »Und eine Frau aus Freistatt?« sagte sie heiser. »Warum nicht? Lalo wird ohnehin sterben und ich ebenfalls, weshalb nicht hier?«
Einen schier endlosen Augenblick hielt Gilla dem Blick der Lady stand. Dann zuckte Kurrekai mit den Schultern, und mit einer fast gleichgültig wirkenden Bewegung schob sie ihre Finger zwischen Gilla und dem roten Blitz, der nach deren Hand zuckte.
Gillas Magen verkrampfte sich, und sie sank nieder auf die Fersen. Etwa eine Minute verstrich, während die Beynit bewegungslos von Kurrekais Daumen hing. Dann begann sie sich zu winden, und die Beysiberfrau griff sie um die Mitte und befreite sie mit einem leichten Schütteln. Dann ließ sie sie zurück in den Rock gleiten.
»Im Namen Beys, der Großen Mutter, der Heiligen!« sagte Kurrekai unvermittelt mit kräftiger Stimme, dann verstummte sie und regte sich nicht mehr. Ihre Augen waren zwar geöffnet, schienen aber blicklos wie Lalos. Gilla beobachtete sie zitternd und malte sich aus, was wohl geschähe, wenn eine Frau der Beysiber hier stürbe. Vanda war zu ihr gekommen und hielt sich an ihr fest, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte.
Schließlich bewegte sich die Lady, und ein lauter Seufzer ertönte, aber Gilla war sich nicht sicher, wer ihn ausgestoßen hatte. Ein großer Bluttropfen, einem Granatstein gleich, quoll aus Lady Kurrekais Daumen. Sie sah sich um und nickte Vanda zu.
»Bring mir die kleine Kristallviole aus dem Kabinett, die mit der Glaspipette für Parfüm.«
Gilla stand auf, um das Gewünschte zu besorgen. Kurrekai blickte Gilla wieder an. »Ich versuchte, das Gift zu wandeln, indem ich mein Blut veränderte, aber Ihr müßt es unmittelbar anwenden. Ritzt die Haut Eures Mannes, bis Blut kommt, und gebt einen Tropfen hiervon in die Wunde.«
Sie öffnete den Pipettenverschluß der Viole, die Vanda ihr entgegenhielt, nahm damit den Bluttropfen auf und ließ ihn in die Viole
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