Hexennacht
Glück anderswo, Hure.« Aber sie griff in den Beutel, den sie an einem Lederband um den Hals trug, und warf ein paar Münzen in den Staub. »Sag mir, wo ich etwas zu trinken bekommen und etwas erfahren kann.«
Die kleine Dirne bückte sich eilig nach den Kupferstücken. »Ils segne Euch, Lady!« bedankte sie sich aufgeregt. »Etwas zu trinken? Nur vier Türen von hier! Seht Ihr die Lampe?«
Als Chenaya auf das schwache Licht zuging, öffnete sich eine Tür darunter und schlug wieder zu. Zwei stämmige Gestalten in Umhängen stapften die Straße hinauf und wurden von der Dunkelheit verschluckt.
Die Lampe über dem Eingang beleuchtete ein Schild. Mit erhobener Braue betrachtete sie das abgebildete Fabeltier, lauschte auf die Stimmen, die gedämpft aus dem Haus klangen, und nickte. Das war keine Schenke für Edelleute und feine Herren. Auch nicht für Damen, wie ihr Vater sie warnen würde.
»Hoch mit dir«, befahl sie Reyk leise. Die Falkenschwingen schlugen rhythmisch die Luft, als er kurz kreiste, ehe er sich schließlich auf dem Schild der Schenke niederließ. Chenaya legte den Fußriemen zusammen und schob ihn durch den Gürtel, dann öffnete sie die Tür.
Die Gespräche verstummten augenblicklich, alle Augen richteten sich auf sie. Sie spähte durch den Rauch, der von Lampendochten und von Talgkerzen aufstieg, und studierte die mißtrauischen Gesichter. Der Geruch von Wein und Bier und schmutzigen Leibern hing in der Luft.
»Das ist eine Tür und keine Loge!« brüllte der Wirt hinter dem Schanktisch und schüttelte eine fleischige Faust. »Kommt herein oder verschwindet!«
Sie trat ein und warf die Kapuze zurück. Ihr Haar glänzte im Licht, als sie den Kopf schüttelte, und ihre Locken tanzten.
Ein graubärtiges Gesicht bedrängte sie; Finger streiften über ihre Schulter. »Hab schon lange nicht mehr so ’ne tolle Frau gesehen!« Sein Bieratem schlug ihr ins Gesicht. Er zwinkerte auffordernd. »Suchst du mich, meine Hübsche?«
Sie setzte ihr süßestes Lächeln auf, schlang die Arme um seinen Hals und schmetterte ihm blitzschnell das Knie in den Unterleib. Japsend krümmte er sich. Mit einem Kinnhaken schickte sie ihn endgültig zu Boden. Als er ächzend wieder auf die Beine kam, packte sie ihn an Gürtel und Kragen und schleuderte ihn gegen die Wand. Er sackte zusammen und blieb reglos liegen.
»Überall das gleiche Theater!« sagte sie laut. Sie warf das Haar zurück und seufzte. »Kann eine Dame sich denn nirgendwo in Ruhe einen Drink gönnen?« Sie schwang ihren Umhang zurück, damit alle ihr Schwert und ihre Dolche sehen konnten. Doch niemand schien sich mehr für sie zu interessieren. Stirnrunzelnd trat sie an den Schanktisch.
»Einen Krug vom Besten«, rief sie und schob dem Wirt eine Münze zu. Er brummelte, griff nach dem Geld und füllte einen Krug. Als er ihn absetzte, fiel ihr auf, daß ihm der Daumen der Rechten fehlte. Sie nahm einen Schluck von dem Bier und ließ den Blick über die Gäste schweifen.
Für einen Moment erstarrte sie, als sie drei Soldaten bemerkte: Sie trugen die Uniform des 3. Kommandos. Sie oder ihre Kameraden hatten den Kaiser ermordet und Theron - verflucht sei sein Name - auf den Thron gesetzt. Sie waren der Abschaum der Menschheit! Verglichen mit ihnen war selbst das erbärmlichste Gesindel liebenswert.
Sie setzte den Krug ab und legte den Umhang über den Hocker. Während sie die Entfernung zu den dreien abschätzte, glitten ihre Finger zum Schwertgriff. Eine Hand um ihren Arm hielt sie zurück. »Tut es nicht«, flüsterte jemand ihr ins Ohr. »Sie haben Freunde, und man weiß nie, aus welcher Richtung ein Messer kommen mag.«
Sie drehte sich um und blickte in die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Die langen schwarzen Wimpern unter buschigen Brauen, die über der Nase fast zusammenwuchsen, wirkten beinahe anmutig feminin. »Was geht es Euch an?« fragte sie leise, als sie bemerkte, daß der Wirt nähergekommen war, offenbar um sie zu belauschen.
Darauf antwortete der dunkelhaarige Bursche nicht, sondern sagte statt dessen: »Ich möchte Euch zu einem Drink einladen.«
Sie deutete auf ihren Krug. »Ich habe bereits einen.«
»Dann setzt Euch zu mir an den Tisch, und ich bezahle Euch den nächsten.«
Sie musterte ihn. Er war etwa von ihrem Alter und ihrer Größe, vielleicht war sie sogar ein bißchen schwerer als er, aber nicht einmal sein schäbiger Kittel vermochte zu verbergen, welch zähe Kraft in ihm steckte.
»Ihr müßt gut mit dem
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