Hexennacht
das ist ebenfalls eine Lektion: Versucht kein Spielchen mit Chenaya. Der Einsatz ist zu hoch!«
Er betrachtete sie über den Krugrand hinweg. »Was soll das bedeuten?«
Wieder setzte sie ihr süßestes Lächeln auf. »Das bedeutet, daß ich nie verliere, Hanse. Niemals!« Sie wies auf die Würfel. »Wie spielt man damit?«
Er hob sie auf und schüttelte sie in der geschlossenen Hand. »Die höhere Zahl gewinnt«, erklärte er. Er warf eine Sechs und eine Vier.
Sie griff danach und warf, ohne nachzusehen. Er runzelte die Stirn.
»Zwei Sechsen«, murmelte er und streckte die Hand zu einem neuen Wurf aus.
Sie ergriff seine Hand. »Mögt Ihr Vuksibah?«
Seine Augen weiteten sich. »Einen so teuren Geschmack kann ich mir nicht leisten.«
Wieder langte sie in den Beutel und brachte zwei Münzen zum Vorschein. Sie waren aus Gold und trugen die Prägung der kaiserlichen Münze. Chenaya schob sie Hanse zu. »Ich wette, in dieser Lasterhöhle ist alles zu kriegen. Fragt den alten Murrkopf, ob er nicht irgendwo zwei Flaschen versteckt hat. Wohnt Ihr in der Nähe?«
Hanse kaute nachdenklich an seiner Unterlippe, dann hob er eine Braue und nickte.
Sie verzog das Gesicht. »Der Gestank hier ist kaum zu ertragen.« Ihr Gesicht näherte sich seinem. »Ich wette, es gibt eine Menge Lektionen, die wir einander lehren könnten.« Sie senkte die Hand, ließ sie unter dem Tisch auf seinen Schenkel fallen und blickte erstaunt auf.
Er bemerkte ihren Blick und zuckte die Schulter. »Noch ein Messer«, erklärte er.
Chenaya lächelte. »Wenn Ihr es sagt.«
»Wirklich«, versicherte er ihr. Er griff nach den Münzen und schob seinen Stuhl zurück. Als er aufstand, stieß seine Zehe gegen ein Tischbein, und ihr Bier schwappte über. »Entschuldigung«, bat er. Dann ging er zu Eindaumen und redete auf ihn ein.
Chenayas Blick fiel auf die Würfel. Sie hob sie auf, warf. Zwei Sechsen. Sie versuchte es erneut. Wieder zwei Sechsen. Noch einmal. Seufzend warf sie die Würfel ins Bier.
Die Nacht, ihre siebte in der Stadt, war still. Chenaya ging unruhig in ihrem Gemach umher und starrte der Reihe nach durch jedes Fenster, das über ihren riesigen Landbesitz zum Fuchsfohlenfluß wies. Er mündete ins Meer, dieser Fluß. Sie glaubte sein Rauschen bis in ihre Kammer zu hören.
Weiter schritt sie auf und ab und fragte sich, ob es einen Sinn hatte, auch heute nacht durch die Straßen zu streifen. Alle Offiziere und Beamte, die sie in den vergangenen Tagen bestochen, all die kleinen Leute, die sie bedroht hatte, ihre vielen Fragen, ihre Suche, nichts hatte ihr einen Hinweis gebracht. Wenn es eine Verschwörung gegen den Prinzen gab, war zumindest kein Wort durchgesickert.
Und doch war ihr Savankala höchstpersönlich erschienen und hatte ihr gesagt, daß es geschehen würde, wenn der zersplitterte Mond im Staub der Erde liegt. Aber was bedeutete das? Sie hatte gedacht, daß ein »zersplitterter Mond< möglicherweise eine astrologische Bezeichnung war. Deshalb hatte sie sich an Molin gewandt, und es war zu einer schrecklichen Streiterei gekommen. Als sie ihren Onkel mit heftigen Verwünschungen verließ, war sie nicht klüger als zuvor.
Sie trat verärgert nach einem Hocker und warf sich aufs Bett. Ihre Nägel krallten sich ins Linnen. Warum hatte sie nicht um Verstand gebeten, als ihr Gott ihr drei Wünsche gewährte?
Sie rollte sich auf die Seite und stieß einen tiefen Seufzer aus. Doch trotz ihrer schlechten Laune mußte sie lachen, als ihr Blick auf den Tisch in der Ecke fiel. Eine Flasche Vuksibah stand dort.
Das war ein Spiel, das sie ganz gewiß nicht verloren hatte! Der attraktive Dieb hatte sie eine Menge gelehrt und nur wenig davon über Freistatt. Alles, was er nach der ersten Flasche Vuksibah sagte , war lediglich Begleitung zu dem, was er tat. Glücklicherweise erwachte sie mit einem klaren Kopf und erinnerte sich an jedes Wort. Sie zweifelte, daß er dasselbe von sich behaupten konnte. Sie hatte die übriggebliebene Flasche genommen und ihren Stirnreif, der unter das Kopfkissen gerutscht war, und hatte Hanse weiterschlafen lassen.
Es würde Spaß machen, ihn wiederzusehen. Warum auch nicht? Nicht einmal ihre Waffenübungen mit Dayrne hatten sie von der Gefahr ablenken können, in der ihr Vetter zweifellos schwebte. Aber es brachte nichts ein, sich unentwegt Sorgen zu machen. Vielleicht konnte Hanse sie auf andere Gedanken bringen.
Sie zog ihr Gewand aus und schlüpfte in die neue Lederkleidung, die sie aus der Truhe am
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