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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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fragte sie und brach das Schweigen.
    Der kleine Junge blickte zu ihr auf, und sie empfand plötzlich seine Fremdartigkeit wie einen Schock: Die großen, unschuldigen Augen waren unbewegt und hielten ihre fast in hypnotischem Bann.
    Mit magischer Klarheit spiegelten sich in ihnen die Sterne und ihr eigenes Gesicht. Er sagte ein Wort, das ohne Bedeutung für sie war: einen Namen in einer melodischen, fremden Sprache.
    Sie riß ihren Blick von seinen Augen. »Das Wort sagt mir nichts, aber es klingt hübsch.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Der Mond glitzerte auf den tanzenden Wellen. Der Pier unter ihr schwankte und ächzte. Ihre Hand stahl sich zu ihrer Brust, und ein alter Traum erwachte plötzlich: Savankalas Antlitz schwebte über den silbernen Kräuseln; seine Lippen formten die Antwort auf ihren dritten Wunsch ...
    »Du bist keine Beysiberin«, stellte das Kind fest. »Du bist auch nicht vom Meer. Warum blickst du dann so sehnsüchtig hinaus?«
    Der Traum wich und der Schauer. Sie lächelte schwach. »Ich sah das Meer noch nie zuvor«, antwortete sie sanft. »Trotzdem sind wir alte Freunde, ja mehr.« Sie seufzte. »Es ist wunderschön, genauso, wie alle Geschichten es beschreiben.«
    »Auch du bist schön«, sagte das Kind überraschend. »Was trägst du da im Haar?«
    Sie berührte den Stirnreif. »Das Zeichen meines Gottes«, antwortete sie leise.
    Der Junge beugte sich vor, er hob die Hand zu ihrem Gesicht. »Darf ich es berühren?« bat er. »Meine Eltern sind arm. Wir besitzen nichts, was so hübsch ist. Es leuchtet im Mondschein.« Sie spürte, wie seine Finger das Metall über ihrer Schläfe betasteten. Behutsam glitten sie zum Strahlenkranz.
    Unbeschreibliche Helligkeit blendete sie plötzlich. Sie fiel rückwärts, spürte die Planken unter sich und wäre ins Wasser gerollt, hätte nicht eine starke Hand sie gehalten und ihr geholfen, sich wieder aufzurichten.
    Als das Licht schwächer wurde und sie wieder klar sehen konnte, blickte sie auf den Jungen, der ihre Hände hielt. Eine winzige Sonne brannte auf seiner Stirn und schuf die leuchtende Helligkeit um sie herum.
    Seine Lippen bewegten sich, doch es war nicht seine Stimme, die sie hörte: »Tochter.«
    Chenaya schlug die Hände vor die Augen und beugte ehrfürchtig den Kopf. »Sonnenvater!« hauchte sie und fand keine weiteren Worte. Es schnürte ihr die Kehle zusammen, sie konnte nicht mehr atmen.
    Wieder griff er nach ihren Händen und zog sie von ihrem Gesicht. »Fürchte mich nicht, Tochter.« Seine Stimme rollte, füllte ihre Ohren, ihren Kopf, durchzog in zitternden Wellen ihren ganzen Körper. »Hast du mich heute nacht denn nicht gerufen?«
    Sie biß sich auf die Lippe, wollte sich aus seinem Griff lösen und fürchtete gleichzeitig, es zu tun. »Ich suchte deine Priester«, antwortete sie bebend. »Ich ersehnte mir Zeichen. Ich hätte nie geträumt ...«
    »Doch du hast einmal von mir geträumt«, erinnerte sie der Gott. »Und ich kam zu dir, um dich zu belohnen.«
    Sie konnte ihn nicht ansehen, sie stammelte: »Ich habe dich verehrt, zu dir gebetet, doch nicht einmal seither ...«
    Er tadelte sanft: »Habe ich dir meine Gunst nicht mehr geschenkt als sonst irgend jemandem unseres Volkes? Waren meine Gaben nicht genug? Möchtest du mehr?«
    Sie brach in Tränen aus und senkte den Kopf. »Nein, Vater. Verzeih mir. Ich wollte nicht ...« Die Stimme versagte ihr. Sie zitterte hilflos und starrte auf das Leuchten, das ihre Hand in seiner umgab.
    »Ich weiß, was du möchtest«, versicherte ihr Savankala. »Du hast mich nicht gerufen, um etwas für dich selbst zu erbitten, sondern für einen, den wir beide lieben. Und ich werde dir helfen, so gut ich kann.«
    »Das 3. Kommando!« rief sie plötzlich. »Vernichte es, ehe es Kadakithis Leid zufügt!«
    Der Gott schüttelte den Kopf. Das Licht auf seiner Stirn schwankte. »Das werde ich nicht tun«, antwortete er. »Du mußt den letzten rankanischen Prinzen mit den Fähigkeiten beschützen, die ich dir gegeben habe. Du darfst nicht einmal die Gesichter jener sehen, die ihm schaden wollen. Die Stunde jedoch sollst du wissen.«
    »Aber, Vater!« rief sie.
    Seine Augen schienen sie zu durchdringen. Sie waren unergründlich, furchtbar und fremdartiger denn je. Sie preßte die Lider zusammen, doch das nutzte nichts. Wie Feuer brannten seine Augen in ihr; sie schienen ihre Seele zu versengen. Sie hatte Angst zu schreien, doch ihre Lippen zitterten.
    »Wenn der zersplitterte Mond im Staub der

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