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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Erde liegt, mußt du kämpfen, oder dein kleiner Prinz wird sterben und das Rankanische Reich für immer vergehen.« Er gab ihre Hände frei, beugte sich vor und strich sanft über ihr Haar, ihre Schulter, ihre Brust. Wo er sie berührte, blieb flüchtig ein weiches Leuchten zurück. »Lebe wohl, Tochter. Zweimal bin ich zu dir gekommen. Kein Sterblicher kann mehr erwarten. Wir werden uns nicht mehr wiedersehen.«
    Sie öffnete die Augen, als erwache sie aus einem tiefen Traum. Das Kind blickte über das Meer und baumelte mit den Beinen. Kein Licht brannte auf seiner Stirn, es vermittelte auch nicht den Eindruck, daß irgend etwas Ungewöhnliches geschehen war. Als sie seinen Arm berührte, drehte es ihr kurz das Gesicht zu, lächelte sie an und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Wasser zu. »Es ist sehr schön, das Meer, nicht wahr?«
    Sie atmete tief aus, legte die Hand auf seinen Kopf und zauste sein Haar. »Ja, das ist es!« Sie erhob sich vorsichtig und bemühte sich, die Schwäche in ihren Knien zu überwinden. »Aber jetzt brauche ich einen Drink.« Sie pfiff. Reyk antwortete von einer Mastspitze in der Nähe, breitete die Flügel aus und glitt zu ihr herab. Chenaya hob den Arm, und der Falke ließ sich darauf nieder.
    Der kleine Beysiber schrie erschrocken auf und stolperte auf die Füße. Ehrfurcht sprach aus seinen geweiteten Augen, als er stammelte: »Du befiehlst über Vögel? Bist du eine Göttin?«
    Sie warf den Kopf zurück, und ihr Lachen hallte weit über die Wellen. Noch lachend drehte sie sich um und ging, ohne die Frage des Kindes zu beantworten.
    Die Straßen wanden sich wie eine krrfsüchtige Schlange. Der Mond hatte es schwer hierherzufinden und vermochte sie nur wenig zu erhellen. Hier waren mehr Menschen unterwegs, doch immer zu zweit oder dritt. Aber auch hier wurde sie aus dunklen Hauseingängen und Winkeln beobachtet.
    Sie entspannte sich allmählich, als die Furcht schwand, die die Erscheinung ihres Gottes in ihr geweckt hatte. Sie streichelte Reyks Gefieder und schaute sich um.
    Bei ihrem Ausflug am Morgen war sie nicht so weit gekommen. Die Luft stank hier nach Abfall und Schmutz. Reges Leben herrschte, selbst wenn es nur schattenhaft zu sehen war: Gedämpfte Schritte erklangen, eine Tür öffnete und schloß sich, ohne daß Licht herausfiel, ein würgender Laut drang aus einer Gasse, Murmeln und Flüstern war zu hören.
    Sie schnalzte Reyk zu. Wenn ein Mann ihr beim Vorübergehen den Kopf zudrehte, wandte er rasch den Blick wieder ab, sobald er den Falken bemerkte.
    Sie rutschte auf etwas aus und fluchte über den abscheulichen Gestank, der davon aufstieg. Ganz in der Nähe kicherte jemand aufreizend. Sie zog die Klinge halb aus der Scheide und schob sie heftig wieder hinein. Dieses Scharren von Metall auf Leder würde jeden warnen, der ihren Vogel nicht sah. Das Kichern verstummte wie abgeschnitten, und nun lachte sie.
    Sie würde sich in Freistatt wohl fühlen. Sie dachte an die von der Sonne überfluteten Arenen Rankes, an den glitzernden Sand, die jubelnden Zuschauer, die Mähner, gegen die sie gekämpft und die keine wirkliche Chance gegen sie gehabt hatten. Es waren gute Kämpfer dabei gewesen, einige hervorragend, wie die Narben bewiesen, die sie davongetragen hatte.
    Doch keiner war imstande gewesen, sie zu besiegen. Sie hatte der gespannten Menge jedesmal eine gute Vorstellung geliefert, hatte geschickt getötet und dann das Geld eingesteckt.
    Doch dieses Spiel war allmählich langweilig geworden.
    Hier standen die Dinge anders: Es versprach eine neue Art von Spiel zu werden. Freistatt war eine Arena aus Nacht und Schatten, ohne jubelnde Zuschauer, ohne brünierte Rüstung, ohne das Schmettern von Fanfaren - ohne Gesetze. Sie lächelte.
    »Zu Hause, Reyk«, flüsterte sie ihrem Falken zu. »Spürst du es? Wir haben unser Zuhause gefunden!«
    Sie streifte durch die dunklen Straßen des Labyrinths, ohne mit irgend jemandem zu sprechen. Aber sie studierte jene, denen sie begegnete, ihre Haltung, ihren Blick. Die Wahrheit war in den Augen zu lesen, das wußte sie, und sie verrieten jede Lüge, die der Mund sprach - die Augen waren der Spiegel der Seele.
    »Psst ... für ein paar Kupferstücke dürft Ihr die Freuden des Himmels kosten, guter Herr.« Ein Mädchen trat aus der Dunkelheit und entblößte ihre zweifelhaften Reize unter einem klaffenden Umhang.
    Chenaya schob die Kapuze zurück, um durch die blonden Locken auf ihr Geschlecht aufmerksam zu machen. »Versuch dein

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