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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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zuckte zusammen, als dicht über seinem Kopf ein Aufruhr
entstand. Verschreckt schaute er hoch, während der Schatten von
links rasch näher kam. Es war nur ein Vogel gewesen, vielleicht
eine Eule.
    »Wo bleiben Sie denn? Wollen Sie mir nicht helfen? Wollen Sie
meinen Mann sterben lassen?« Nun hatte die Frau ihn erreicht und
zerrte am Ärmel seiner schon völlig durchnässten
Windjacke. »Kommen Sie wieder auf den Weg. Es ist da
hinten!«
    Er stolperte hinter ihr her. Sie lief zu schnell für ihn; der
Abstand zwischen ihnen wurde immer größer. »Warten
Sie!«, rief er, doch sie schien ihn nicht zu hören. Der
Wind bauschte ihre Jacke; es sah aus, als habe sie Schwingen. Sie
lief so schnell, dass sie den Waldboden kaum mehr zu berühren
schien.
    Arved war außer Atem und in seiner Seite stach es
fürchterlich. Er war körperliche Anstrengungen nicht
gewöhnt. Immer wieder hatte er abnehmen wollen, doch die
Köstlichkeiten, die seine Haushälterin für ihn
bereitet hatte, waren immer zu verführerisch gewesen. Er
wünschte sich, er säße irgendwo im Trockenen –
und sei es in seinem neuen alten Haus. Überall wäre er
lieber als in dieser Regennacht hier draußen, in einem
unbekannten Wald, mit einer unbekannten Frau und einem unbekannten
Schicksal entgegen taumelnd.
    Die Frau war stehen geblieben. Endlich holte er sie ein. Arved
wischte sich den Regen von Stirn und Brauen und fragte: »Wo ist
Ihr Mann?«
    Die Frau schaute ruckweise hierhin, dorthin. Ihre Antwort verlor
sich in einem Donnerschlag, der unmittelbar über ihnen die Luft
erzittern ließ. Ein Blitz fuhr nieder, begleitet von einem
Geräusch wie einem schrillen Schrei. Arved riss die Frau mit
sich auf die andere Seite des Weges. Gleißende Helligkeit
blendete ihn. Ein schreckliches Zischen und Knallen erschütterte
den Wald. Eine Stichflamme stieg von dem großen, schwarzen Baum
auf, neben dem die Frau eben noch gestanden hatte. Knirschend
stürzte er ins Gehölz. Eine Hitzewelle hatte die beiden
hilflosen Menschen eingehüllt und ihnen den Atem genommen. Nun
standen sie erschüttert da und hielten sich aneinander fest.
Spitz wie ein Finger ragte der Baumstumpf in die Nacht; die
Bruchstelle rauchte im Licht des nächsten Blitzes, der über
den Wald hinwegzuschießen schien. Schreckliches Knallen und
Bersten zeigte an, dass auch er irgendwo eingeschlagen war.
    Als habe die Hölle ihre Tore geöffnet, dachte Arved. Es
gibt keinen Gott, es gibt keine Hölle, beruhigte er sich. Alles
ist nur blindes Wüten. Er schaute die Frau an. In der
regenverwischten Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht mehr
erkennen. Sie war nur noch ein schwarzer Schemen – wie ein Tor
im Wald des Untergangs.
    »Wo?«, fragte er atemlos.
    Sie machte sich von ihm los und lief einige Meter weiter, bis sie
an eine Kreuzung kam. Hier nahm sie die linke Abzweigung. Sie schien
den Weg im Dunkeln sehen zu können, was Arved wunderte. Er
versuchte, dicht hinter ihr zu bleiben, kam aber immer wieder vom Weg
ab und geriet in das Unterholz. Es fiel ihm schwer, sich von den
Ranken freizukämpfen, und der Schlamm zerrte an seinen zu
dünnen Straßenschuhen. Er hatte den Eindruck, als laufe er
barfuß durch den nassen Wald.
    Bald blieb die Frau wieder stehen. »Hier hinein«, sagte
sie und zeigte auf die schwarze Mauer der Bäume.
    »Sind Sie sicher?«, wagte Arved zu fragen.
    Sie gab ihm keine Antwort, sondern bahnte sich einen Weg an
Brombeerranken und Ginster vorbei, bis sie in einen Teil des Waldes
eindrang, wo mächtige Kiefern und Fichten weit auseinander
standen und der Boden dicht mit Nadeln gepolstert war. Hier kam der
Regen kaum durch; es war, als sei man in das Innere einer gewaltigen
Kathedrale getreten. Ein ferner Blitz zuckte; es dauerte einige
Sekunden, bis der Donner einsetzte. Das Gewitter zog ab. Arved atmete
auf.
    Im Schein des Blitzes hatten die gewaltigen Stämme wie
Säulen ausgesehen, die ein ungeheures Gewölbe trugen. Die
Frau stand verloren zwischen ihnen. Draußen rauschte noch der
Regen, doch hier bildeten die Wipfel ein Dach, das den Wald vor den
Elementen, vor der ganzen Welt und vor dem Himmel schützte.
Arved blieb neben der Frau stehen, die hektisch in alle Richtungen
schaute.
    »Hier war es«, sagte sie schrill. »Ich weiß
es genau. Dieser Wald. Jürgen hatte noch gesagt, dass er wie
eine Kirche wirkt. Und dann haben wir das Haus gesehen.«
    »Ein Haus? Hier mitten im Wald?«, fragte Arved
ungläubig. Er drehte sich in alle Richtungen, doch auch der
nächste

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