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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Begrenzungsstreifen auf. In manchen Kurven
schlingerte der Bentley bedenklich, doch Arved hatte keine Nerven
mehr, langsam zu fahren.
    Endlich sagte die Frau wieder etwas. »Es war doch nur eine
alte Ruine.«
    Ein klackendes Geräusch. Arved warf einen raschen Blick zu
ihr hinüber. Sie kaute an ihren Fingernägeln. »Was ist
das für eine Hütte?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Wir hatten uns völlig
verlaufen und dann kam dieses Gewitter. Das Haus hat zwar kein
richtiges Dach mehr, aber drinnen war es trotzdem trockener als im
Wald.«
    »Woher kommen Sie?«
    »Wir sind vom Kloster Himmerod aus gegangen und wollten noch
bis nach Manderscheid wandern«, sagte sie und rieb sich die
Schläfen. Ihre kurzen schwarzen Haare trockneten allmählich
und wurden wieder zu einer Frisur. Zu einer sehr hübschen
Frisur.
    »Was ist in der Hütte vorgefallen?«, fragte Arved,
während er den Bentley langsam abbremste. Das Ende der
Straße kam in Sicht.
    »Das ist es ja: Ich weiß es nicht«, sagte die Frau
und schluchzte. »Es ist alles so verwirrend.«
    »Vielleicht erzählen Sie es einfach der Reihe
nach«, meinte Arved und hielt den Wagen an der Einmündung
an. Ein Wegweiser zeigte nach links: Daun 21 Kilometer, Manderscheid
5 Kilometer, einer nach rechts: Wittlich 14 Kilometer,
Großlittgen 5 Kilometer. Arved bog nach rechts ab und
beschleunigte heftig. Bald musste er wieder bremsen, denn die
Straße machte eine scharfe Biegung nach links.
    »Ich gebe zu, dass wir uns gestritten haben«, fuhr die
junge Frau fort. »Jürgen hat mir vorgeworfen, dass ich
irgendwo die falsche Abzweigung genommen hätte, und ich habe ihm
vorgeworfen, dass er vergessen hatte, die Wanderkarte einzustecken.
Die liegt nämlich noch im Wagen in Himmerod. Ein Wort ergab das
andere und bald haben wir nicht mehr miteinander geredet, sondern nur
noch darauf gewartet, dass das Gewitter vorbeizieht.« Sie
schwieg wieder.
    Der Mann auf der Rücksitzbank war still geworden, doch er
atmete schwer.
    »Wieso hat Ihr Mann solche Schmerzen?«, fragte Arved
ungeduldig und richtete den Blick starr auf die Straße vor
sich.
    »Er… er hat etwas gegessen.«
    »Was?«
    »Rote Trauben.«
    »Hat er sie auf dem Weg gepflückt?«
    »Nein. In dem zerfallenen Haus.«
    Schweigen.
    »In dem Haus?«, fragte Arved verdutzt. »Haben die
Trauben dort herumgelegen?«
    »Nein, sie hingen an einem Rebstock.«
    Arved warf ihr einen Blick der Verständnislosigkeit zu.
Musste man ihr denn jede Information aus der Nase ziehen? »In
dem Haus wächst ein Rebstock?«
    »Ja. Es hatte den Anschein, als ob es ganz normale Trauben
seien.«
    »Aber die Trauben sind noch lange nicht reif.«
    »Das habe ich ihm auch gesagt. Außerdem war der
Rebstock… na ja, er war…«
    Schweigen.
    »Wie war er?«, fragte Arved etwas gröber als
beabsichtigt.
    »Er wirkte so… lebendig. Die Ranken waren rosig und sehr
biegsam.«
    »Und sie wuchsen mitten in dem Haus?«, vergewisserte
sich Arved noch einmal. Er hatte dort keinen solchen Rebstock
gesehen, aber er hatte nur Augen für den am Boden liegenden Mann
gehabt. Allerdings erinnerte er sich plötzlich an die seltsamen
Kreidesymbole auf dem Boden.
    »Ja, das Gewächs kam aus dem Stein hervor. Und unten am
Stamm sah es… wie Stein aus. Wie lebendig gewordener Stein.
Anders kann ich es nicht erklären.« Die junge Frau legte
die rechte Hand vor die Augen.
    »Ich habe Kreidestriche auf dem Boden gesehen«, sagte
Arved. »Sie auch?«
    »Ja.« Die junge Frau holte tief Luft. Dann hielt sie
sich die Hände an die Schläfen und keuchte.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Arved besorgt.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Nun hatten sie Großlittgen erreicht. Arved dachte daran, wie
er am frühen Abend durch den Ort gefahren war und
merkwürdige Dinge wahrgenommen hatte – Dinge, die erst
durch die Erläuterung des Novizen in Himmerod einen gewissen
Sinn bekommen hatten. Nun war niemand mehr auf der Straße zu
sehen. Dafür bemerkte Arved einen umgekippten Bauwagen, der in
einem Vorgarten lag, und eine Pyramide aus Holzscheiten auf einem
Flachdach. Der Schabernack hatte zugeschlagen. Doch das, worin er
selbst verwickelt worden war, hatte mit solchen Walpurgisstreichen
nicht das Geringste zu tun. Er warf einen sorgenvollen Blick auf
seine Beifahrerin. Sie hatte sich auf dem Sitz zusammengekrümmt.
»Was ist Ihnen?«, fragte er noch einmal.
    Sie richtete sich wieder auf und atmete tief durch. »Es geht
schon wieder.« Die junge Frau warf einen Blick aus

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