Hexenopfer
wäre.
Er holte die Vinylstiefel aus dem Kofferraum und streifte sie über seine Schuhe. Dann zog er dicke Handschuhe an. Die Schuhe, die er trug, waren aus italienischem Leder, und er hatte nicht die Absicht, sie durch nächtliche Feuchtigkeit oder Schneematsch zu ruinieren.
Langsam und vorsichtig überquerte er das offene Feld. Als er an die Scheune kam, öffnete er die klapprigen Holztore, die quietschend und ächzend auseinanderglitten. Doch wer würde den traurigen Jammerlaut hier schon hören? Mit der Taschenlampe leuchtete er in den düsteren Innenraum, nach rechts und links, vor und zurück. Der große Raum war größtenteils leer, bis auf zwei verwitterte Sägeböcke, die er beim ersten Mal, als er die alte Scheune erforschte, auf dem Dachboden gefunden hatte. Die Kiste mit dem Schwert legte er auf einen fauligen Holztrog, leuchtete mit der Taschenlampe auf den Boden und stellte fest, dass er feucht war. Er führte den Lichtstrahl nach oben und sah, dass ein Teil der Decke fehlte und der Rest aussah, als könnte er jederzeit einstürzen.
Er schob zuerst den einen, dann den anderen Sägebock an Ort und Stelle, direkt vor die beiden großen Türen. Dann holte er die Sperrholzplatte, die er am Tag zuvor dort abgestellt hatte, legte sie über die beiden Sägeböcke und schuf so einen perfekten, zweckmäßigen Altar.
Nachdem er auf die Uhr geschaut und gesehen hatte, dass es fast vier Uhr war, stapfte er zum Wagen zurück, um den wichtigsten Gegenstand für die morgendliche Zeremonie zu holen – das Opfer.
Jacob war nicht religiös, hatte jedoch in dieser Nacht seinen Anteil an Gebeten geleistet. Alles, was getan werden konnte, würde getan werden, aber vielleicht war es nicht genug. Polizeibeamte aus Stadt, County und Bundesstaat waren über den Berg verteilt, der sich über unzählige Meilen und endlose Morgen Land erstreckte. Alle örtlichen Mitglieder des Suchtrupps versuchten sich an jede alte Scheune in der Gegend zu erinnern. Jacob wusste, dass es zwei Tage dauern konnte, alle Scheunen in Cherokee County zu überprüfen. Genny und Jacob waren sich einig, dass die Scheune, in die der Mörder Misty gebracht hatte, leer stand und wahrscheinlich nicht mehr benutzt wurde, doch sie wussten auch, dass sie sich irren konnten. Genny würde die Erste sein, die zugab, dass ihre Visionen nicht immer hundertprozentig zutrafen, dass sie nicht unfehlbar war.
Ihre Gruppe bestand nun nicht mehr nur aus Genny, Dallas und Jacob, sondern auch aus Sally und ihren Hunden Peter und Paul sowie einem halben Dutzend Gesetzeshütern – Bobby Joe und Tim Willingham, den beiden Deputys; drei Polizisten aus Cherokee Pointe, und einem Autobahnpolizisten. In den letzten paar Stunden hatten sie drei Scheunen östlich von Gennys Haus gefunden und durchsucht. Zwei waren unbenutzt und leer, eine gehörte einem pensionierten Farmer, der seinen alten Traktor darin unterstellte.
Sie hielten die Funkverbindung zu den anderen Gruppen aufrecht – insgesamt fünf –, doch bisher standen sie mit leeren Händen da. Als sie von der Straße abbogen, am Zaun hielten, der die alte Farm der Wells umgab, und die beiden anderen Wagen hinter seinem Pick-up parkten, schaute Jacob auf seine Uhr. Halb fünf. Die Zeit lief ihnen davon. In weniger als zwei Stunden würde die Morgendämmerung heraufziehen. Wenn sie Misty nicht bald fänden, würde es zu spät sein.
Er versuchte, an Misty nicht als an seine Geliebte zu denken, sich nicht klarzumachen, dass sie Bobby Joes Schwester war, aber dass sie ihnen beiden etwas bedeutete, wollte ihm nicht aus dem Kopf. Vor vierundzwanzig Stunden hatten sie miteinander geschlafen. Ausgelassen, vulgär, genießerisch. Er liebte Misty nicht, und manchmal ging sie ihm auf die Nerven. Doch sie war ein guter Kumpel, der nie einer Menschenseele etwas zuleide getan hatte. Allein der Gedanke, dass irgendein Geisteskranker sie aufschlitzen und ihr Blut trinken würde, versetzte Jacob in Wut. Aber er durfte die Zeit nicht mit Emotionen verschwenden.
Jacob stieg aus und trat zu den anderen aus der Truppe, die sich um die Kühlerhaube seines Pick-up sammelten. Sally Talbot machte die hintere Tür auf, hievte sich vom Rücksitz und pfiff nach Peter und Paul. Die beiden schweren Hunde hüpften von der Ladefläche und kamen direkt zu ihrer Herrin. Nachdem sie ihre Leinen gepackt hatte, schaute sie mit ihren gealterten, aber immer noch scharfen Augen prüfend über das Gelände. Sie schürzte die Lippen, spuckte aus und
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