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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bemühten sie sich, zu erläutern, was sie taten. Aber Carlotta stellte natürlich immer nur noch mehr Fragen, verlangte noch mehr Antworten, brachte neue Überlegungen aufs Tapet, verlangte immer neue Konferenzen, tätigte immer neue Anrufe und äußerte immer neue verschleierte Drohungen.
    Es ist interessant festzustellen, daß fast jede Anwaltssekretärin, jeder Kanzleiangestellte, der je für Mayfair und Mayfair arbeitete, dieses »Spiel« zu verstehen schien. Juliens Söhne indessen waren darüber immer gekränkt und verbittert, als ob sie die Sache sehr persönlich nehmen würden.
    1928 wurden sie aus dem Haus in der Frist Street vertrieben, in dem sie alle zur Welt gekommen waren. Fünfundzwanzig Jahre später, als Pierce und Cortland Mayfair darum baten, etwas von Juliens Hinterlassenschaft auf dem Dachboden durchsehen zu dürfen, wurden sie nicht ins Haus gelassen. So etwas wäre 1928 allerdings noch unvorstellbar gewesen.
    Unterdessen wohnte Pierce im Herbst 1928 mehr oder weniger in der First Street. Im Frühling 1929 begleitete er Stella überall hin, und er bezeichnete sich selbst als »ihren persönlichen Sekretär und Chauffeur«, als »ihren Blitzableiter und Seelentröster«. Cortland nahm es hin, aber es paßte ihm nicht. Seinen Freunden und Verwandten erzählte er, Pierce sei ein braver Junge; er werde die ganze Sache schon satt bekommen und dann in den Osten zur Universität gehen, wie alle anderen Jungen es auch getan hatten.
    Wie sich herausstellte, hatte Pierce eigentlich nie Gelegenheit, Stella satt zu bekommen. Aber wir sind jetzt im Jahr 1929 angelangt, und wir sollten unsere Erzählung unterbrechen und uns dem seltsamen Fall des Stuart Townsend zu wenden, unserem Bruder in der Talamasca, der im Sommer jenes Jahres so begierig darauf war, Kontakt mit Stella aufzunehmen.

 
    20
     
     
    DIE AKTE ÜBER DIE MAYFAIR-HEXEN
    TEIL VII
     
    Das Verschwinden des Stuart Townsend
     
    1929 bat Stuart Townsend, der das Mayfair-Material jahrelang studiert hatte, den Rat in London um die Erlaubnis, mit der Familie Mayfair Kontakt aufzunehmen.
    Er hatte das deutliche Gefühl, daß Stellas kryptische Botschaft, die sie uns auf der Rückseite der Fotografie hatte zukommen lassen, bedeutete, daß sie einen solchen Kontakt wünschte.
    Stuart war ebenfalls davon überzeugt, daß die letzten drei Mayfair-Hexen – Julien, Mary Beth und Stella – keine Mörder oder Übeltäter in irgendeinem Sinne gewesen waren, daß es absolut ungefährlich sein würde, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, und daß daraus vielleicht sogar »wunderbare Dinge« resultieren würden.
    Zunächst und zuvorderst: Wir hatten mit der Akte über die Mayfair-Hexen die beeindruckende und wertvolle Geschichte einer übersinnlich begabten Familie geschaffen. Wir hatten uns selbst zweifelsfrei bewiesen, daß die Mayfairs Kontakt mit dem Reich des Unsichtbaren hatten und daß sie unsichtbare Kräfte zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Aber bei dem, was sie taten, gab es immer noch vieles, was wir nicht wußten.
    Wenn sie sich nun überreden ließen, mit uns zu sprechen, uns ihre Geheimnisse zu offenbaren. Was würden wir da lernen können?
    Stella war keine verschlossene, wachsame Person wie Mary Beth. Wenn sie sich von unserer Diskretion und unseren wissenschaftlichen Zwecken überzeugen ließe, würde sie uns vielleicht mancherlei offenbaren. Möglicherweise würde auch Cortland Mayfair mit uns sprechen.
    Zweitens – und vielleicht weniger wichtig: Sicher hatten wir im Laufe der Jahre mit unserer Überwachung die Privatsphäre der Familie Mayfair verletzt. Wir hatten, wie Stuart sagte, jeden Aspekt ihres Lebens »ausgeschnüffelt«. Tatsächlich hatten wir ja diese Leute regelrecht studiert, und immer wieder rechtfertigten wir das Ausmaß unserer Überwachung damit, daß wir bereit wären, unsere Aufzeichnungen denen, die wir beobachtet hatten, zur Verfügung zu stellen.
    Nun, im Falle der Mayfairs hatten wir es noch nie getan. Und vielleicht gab es keine Ausrede dafür, es nicht jetzt zu versuchen.
    Drittens: Wir standen in einer absolut einzigartigen Beziehung zu den Mayfairs, denn das Blut unseres Bruders Petyr van Abel floß in ihren Adern. Sie waren, könnte man sagen, mit uns »verwandt«. Sollten wir nicht schon deshalb versuchen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen, damit wir ihnen von diesem Vorfahren erzählen konnten? Und wer konnte wissen, wie es dann weitergehen würde?
    Viertens: Konnten wir nicht vielleicht etwas wirklich Gutes mit einem

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