Hexenstunde
Cortlands Sohn, seine Harvard-Pläne und beschloß, an die Tulane University zu gehen, obwohl sein Vater und seine Onkel entschieden dagegen waren. Pierce war auf Stellas ganzen Geheimpartys gewesen, berichtete Dandrich, und allmählich tuschelte man über die beiden; dabei war Pierce noch nicht einmal achtzehn.
Gegen Ende 1928 hatte Carlotta, Juristenklatsch zufolge, erklärt, Stella sei als Mutter nicht geeignet, und man müsse ihr das Kind »gerichtlich« wegnehmen lassen. Cortland dementierte diese Gerüchte bei seinen Freunden. Aber jeder wußte, daß es »darauf hinauslief«.
Unterdessen liefen Stella und Pierce Tag und Nacht zusammen herum, oft mit der kleinen Antha im Schlepptau. Stella kaufte unablässig Puppen für das Kind. Sie frühstückte jeden Morgen in einem anderen Hotel im French Quarter. Pierce begleitete sie, als sie in der Decatur Street ein Haus kaufte, das sie in ein Atelier umzuwandeln gedachte, wo sie allein sein könnte.
»Sollen Millie Dear und Belle das Haus mitsamt Carlotta behalten«, sagte Stella zu dem Makler. Pierce lachte über alles, was Stella sagte. Antha, eine dürre Siebenjährige mit einer Haut wie Porzellan und sanften blauen Augen, stand herum und hatte einen riesigen Teddybär im Arm. Sie gingen alle zusammen zum Mittagessen, auch der Immobilienmakler, der Dandrich nachher alles erzählte. »Sie ist bezaubernd, absolut bezaubernd. Ich glaube, diese Leute oben in der First Street sind bloß zu düster für sie.«
1928 soll Carlotta Mayfair mit einer schockierenden juristischen Maßnahme versucht haben, das Sorgerecht für Antha zu erhalten -anscheinend, um sie dann auf ein Internat zu schicken.
Cortland war entsetzt, daß Carlotta die Sache so weit trieb. Endlich drohte er, der bis dahin auf so gutem Fuße mit ihr gestanden hatte, sich ihr juristisch entgegen zu stellen, wenn sie ihre Absicht nicht fallenließe. Barclay, Garland, der junge Sheffield und andere Familienmitglieder waren bereit, sich Cortland anzuschließen. Niemand würde Stella vor Gericht bringen und ihr das Kind wegnehmen, solange Cortland lebte.
Auch Lionel erklärte sich willens, Cortland zu unterstützen. Es heißt, die ganze Geschichte sei ihm eine Qual gewesen; er schlug sogar vor, er wolle für eine Weile mit Stella nach Europa reisen und Antha in Carlottas Obhut zurücklassen.
Schließlich zog Carlotta ihren Sorgerechtsantrag zurück.
Aber zwischen ihr und Juliens Nachkommen war es nie wieder so wie vorher. Sie begannen, sich um Geld zu streiten, und dieser Streit dauert bis heute an.
Irgendwann im Jahr 1927 war es Carlotta gelungen, Stella zu überreden, eine Rechtsvollmacht zu unterschreiben, damit Carlotta gewisse Angelegenheiten übernehmen konnte, mit denen Stella nicht gern belästigt werden wollte.
Carlotta versuchte jetzt, diese Rechtsvollmacht auszunutzen, um weitreichende Entscheidungen über das gewaltige Vermögen des Mayfair-Vermächtnisses zu treffen, was bis zum Tod Mary Beths ausschließlich in Cortlands Händen gelegen hatte.
Die Familienlegenden, der zeitgenössische Juristentratsch und auch der Gesellschaftsklatsch überliefern übereinstimmend, daß alle Mayfair-Brüder – Cortland, Garland, Barclay und später auch Pierce, Sheffield und andere – sich weigerten, diese Vollmacht anzuerkennen. Sie weigerten sich, Carlottas Anweisungen auszuführen und die höchst profitablen und riskanten Investitionen zu liquidieren, die sie namens des Vermächtnisses jahrelang mit ungeheurem Erfolg getätigt hatten. Hastig zerrten sie Stella in ihre Büros, damit sie die Rechtsvollmacht widerrufen und bestätigen konnte, daß alles nur von ihnen zu entscheiden sei.
Gleichwohl ergab sich daraus ein endloses Gezänk zwischen den Brüdern und Carlotta, das bis in die heutige Zeit hineinreicht. Nach dem Streit um das Sorgerecht scheint Carlotta nie wieder Vertrauen zu Juliens Söhnen gefaßt zu haben, und anscheinend kann sie sie seitdem auch nicht mehr leiden. Sie überzog sie mit endlosen Forderungen nach Informationen, vorbehaltloser Einsichtgewährung, detaillierten Bilanzen und Erläuterungen dessen, was sie taten, und deutete dabei ständig an, daß sie sie, sollten sie nicht zufriedenstellend Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen, im Namen Stellas auch vor Gericht bringen werde (später dann im Namen Anthas, noch später im Namen Deirdres).
Für die Männer war dieses Mißtrauen verletzend und verblüffend. Geduldig beantworteten sie alle ihre Fragen; wieder und wieder
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