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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Teufel höchstpersönlich macht.
    Mit einem Wort: Stuart Townsend reiste unvorbereitet und ungewarnt nach New Orleans. Und mit allem schuldigen Respekt vor denen, die den Orden 1929 zu führen hatten: Ich glaube nicht, daß so etwas heute noch vorkommen würde.
    Als letztes will ich hinzufügen, daß Stuart Townsend nach allem, was wir wissen, keine außergewöhnlichen Kräfte besaß. Er war kein »Medium«, wie man sagt. So standen ihm auch keine außersinnlichen Waffen zu Gebote, als er später einem Feind gegenüber trat, den er nicht einmal als Feind erkannte.
     
    Stuarts Verschwinden wurde der Polizei in New Orleans am 25. Juli 1929 gemeldet, also einen ganzen Monat nach seiner Ankunft dort. Die Talamasca hatte versucht, ihn telegraphisch und telefonisch zu erreichen. Irwin Dandrich hatte sich vergebens bemüht, ihn zu finden. Das St. Charles Hotel, wo Stuarts einziger Brief aus New Orleans vorgeblich abgeschickt worden war, bestritt, daß eine solche Person je dort eingetragen gewesen sei. Überhaupt erinnerte sich niemand an eine solche Person.
    Am 28. Juli teilten die Behörden unseren Ermittlern am Ort mit, daß sie nichts weiter unternehmen könnten. Auf massiven Druck von Seiten Dandrichs und der Talamasca fand die Polizei sich schließlich bereit, zum Hause Mayfair zu gehen und Stella zu fragen, ob sie den jungen Mann je gesehen oder gesprochen habe. Die Talamasca hegte in diesem Punkt keinerlei Hoffnung, aber Stella überraschte uns alle, indem sie sich sogleich an Stuart erinnerte.
    Ja, natürlich, sie habe Stuart kennen gelernt, sagte sie. Den großen Texaner aus England – wie könnte man einen so interessanten Menschen je vergessen? Sie hätten zusammen gegessen, zu Mittag und später zu Abend, und sie hätten eine ganze Nacht lang miteinander geredet.
    Nein, sie könne sich nicht denken, was aus ihm geworden sei. Im Gegenteil, sie reagierte spontan und sichtlich bestürzt auf die Möglichkeit, daß ihm etwas zugestoßen sein könnte.
    Ja, er habe im St. Charles Hotel gewohnt; das habe er erwähnt, und warum, um alles in der Welt, hätte er in einem solchen Zusammenhang lügen sollen? Sie fing an zu weinen. Oh, sie hoffe nur, daß ihm nichts passiert sein möge. Ja, sie geriet in solche Aufregung, daß die Polizei die Vernehmung beinahe beendet hätte. Aber sie hielt die Beamten zurück und stellte ihnen Fragen. Hatten sie mit den Leuten im »Court of Two Sisters« gesprochen? Dort war sie mit Stuart hingegangen, und es hatte ihm gut gefallen. Vielleicht war er noch einmal da gewesen. Und dann gebe es da eine Kneipe in der Bourbon Street, wo sie früh am nächsten Morgen noch weitergeplaudert hätten, nachdem sie aus einem achtbareren Lokal – gräßliches Loch! – hinausgeworfen worden seien.
    Die Polizei besuchte die genannten Etablissements. Jeder dort kannte Stella. Ja, es könne sein, daß sie mit einem Mann da war. Stella war immer mit einem Mann da. Aber niemand erinnerte sich speziell an Stuart Townsend.
    Man erkundigte sich in anderen Hotels in der Stadt. Nichts, was Stuart Townsend gehört hatte, wurde gefunden. Droschkenfahrer wurden befragt, aber das Ergebnis war nicht minder kläglich.
    Endlich beschloß die Talamasca, die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen. Arthur Langtry verließ London, um heraus zu finden, was aus Stuart geworden war. Gewissensbisse plagten ihn, weil er damit einverstanden gewesen war, daß Stuart diesen Auftrag allein in Angriff nahm.
     
    ARTHUR LANGTRYS BERICHT
    Arthur Langtry war sicher einer der fähigsten Forscher, die die Talamasca je hervorgebracht hat. Das Studium mehrerer großer »Hexen-Familien« war sein Lebenswerk, und seine detaillierten Aufzeichnungen darüber gehören zu den wertvollsten Dokumenten, die wir besitzen.
    Es ist sehr betrüblich für diejenigen unter uns, die sich ihr Leben lang mit den Mayfair-Hexen beschäftigt haben, daß Arthur Langtry nie dazu gekommen ist, der Geschichte dieser Familie seine Zeit zu widmen.
    Dennoch – als Stuart Townsend verschwand, fühlte Langtry sich verantwortlich, und nichts hätte ihn daran hindern können, im August 1929 nach Louisiana zu fahren.
    »Ich war so erpicht darauf, jemanden hin zuschicken«, bekannte er vor seiner Abreise in London. »Ich war so erpicht darauf, daß endlich etwas passierte. Und da dachte ich, na ja, vielleicht wird dieser merkwürdige junge Texaner die Mauer des Schweigens durchbrechen.«
    Langtry war fast vierundsiebzig Jahre alt, ein großer, hagerer Mann mit

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