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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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glauben -, aber es ist nicht daran zu zweifeln, daß ihre Techniken des Exorzismus solcher fremden Wesen funktionieren.
    In den nächsten fünf Jahren erforschte Stuart ausschließlich frühere Fälle von Besessenheit in der ganzen Welt. Er befragte Dutzende von Opfern und machte umfangreiche Aufzeichnungen.
    Er kam zu der von der Talamasca schon lange vertretenen Auffassung: daß es nämlich eine große Vielfalt von Wesenheiten gibt, die vom Menschen Besitz ergreifen. Manche sind wohl Geister, andere aber sind vielleicht Wesen, die niemals Menschen waren, und wieder andere sind womöglich »andere Persönlichkeiten« im Gastgeber selbst. Stuart war indessen weiterhin überzeugt, daß Antoinette Fielding ein lebender Mensch gewesen war und daß sie, wie viele solcher Geister, nicht gewußt oder begriffen habe, daß sie tot war.
    1920 fuhr er nach Paris, um Spuren von Antoinette Fielding zu suchen. Es gelang ihm nicht, auch nur das Geringste zu entdecken. Aber die wenigen Informationen über die tote Louisa Fielding deckten sich mit dem, was Antoinette über ihre Mutter geschrieben hatte. Aber die Zeit hatte schon vor langer Zeit jede wirkliche Spur dieser Personen verwischt, und Stuart konnte diesen Punkt nie zufriedenstellend aufklären.
    Gegen Ende 1920 fand er sich mit der Tatsache ab, daß er wohl nie herausfinden würde, wer Antoinette gewesen war, und er wandte sich der aktiven Feldforschung für die Talamasca zu. Mit Louis Daly zusammen griff er bei Fällen von Besessenheit ein; sie praktizierten eine Form des Exorzismus, mit der Daly äußerst wirkungsvoll solche fremden Wesenheiten aus dem Körper der Gastgeber-Opfer vertrieb.
    Daly war von Stuart Townsend beeindruckt; er wurde sein Mentor, und Stuart war in all diesen Jahren bekannt für sein Einfühlungsvermögen, seine Geduld und seine Tüchtigkeit auf diesem Gebiet. Nicht einmal Daly konnte die Opfer nachher so gut trösten, wie Stuart es vermochte. Stuart hatte das gleiche schließlich auch erlebt. Stuart wußte Bescheid.
    Bis 1929 arbeitete Stuart unermüdlich auf diesem Gebiet; die Akte über die Mayfair-Hexen las er nur, wenn sein vollgestopfter Terminkalender es ihm erlaubte. Dann aber stellte er seinen Antrag an den Rat und hatte Erfolg.
    Zu dieser Zeit war Stuart fünfunddreißig Jahre alt. Er war einen Meter fünfundachtzig groß, hatte aschblondes Haar und dunkelgraue Augen; er war schlank und hatte helle Haut. Er hatte eine Vorliebe für elegante Kleidung und war einer jener Amerikaner, die englische Manieren und Methoden bewundern und sie zu imitieren versuchen. Er war ein attraktiver junger Mann. Aber den größten Reiz auf Freunde und Bekannte übte er durch seine knabenhafte Spontaneität und Unschuld aus. Es fehlten ihm tatsächlich zehn Jahre seines Lebens, und er bekam sie nie zurück.
    Gelegentlich war er zu einem gewissen Ungestüm fähig; dann platzte ihm der Kragen, und er wurde wütend, wenn er bei seinen Plänen auch nur auf das kleinste Hindernis traf. Aber dies wußte er sehr gut zu beherrschen, wenn er draußen war, und wenn er im Mutterhaus einen Wutanfall bekam, konnte man ihn noch stets wieder zu sich bringen.
    Er war dazu fähig, sich tief und leidenschaftlich zu verlieben, und so verliebte er sich in Helen Kreis, eine Angehörige der Talamasca, die bei einem Autounfall 1924 ums Leben kam.
    Was zwischen ihm und Stella Mayfair geschah, werden wir vielleicht nie erfahren. Aber womöglich war sie die einzige andere große Liebe seines Lebens.
     
    Ich möchte hier gern meine persönliche Meinung einfügen: Stuart Townsend hätte nie nach New Orleans geschickt werden dürfen. Er war von Stella nicht nur allzu sehr emotional berührt, sondern es fehlte ihm auf diesem speziellen Gebiet auch an Erfahrung.
    In seinem Noviziat hatte er sich mit übersinnlichen Phänomenen verschiedener Art befaßt, und zweifellos hatte er sein Leben lang okkulte Literatur studiert. Mit anderen Mitgliedern des Ordens diskutierte er über eine Vielzahl von Fällen. Und er verbrachte auch einige Zeit mit Arthur Langtry.
    Aber er wußte eigentlich nichts über Hexen an sich. Und wie so viele unserer Ordensmitglieder, die sich nur mit Fällen von Spuk, Besessenheit oder Reinkarnation beschäftigt haben, wußte er einfach nicht, wozu Hexen fähig sind.
    Einen unerfahrenen Mann wie Townsend damit zu beauftragen, Kontakt mit den Mayfair-Hexen aufzunehmen, ist so ähnlich, als würde man ein kleines Kind in die Hölle schicken, damit es ein Interview mit dem

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