Hexentage
nervös gemacht. Man sagt, er habe öffentlich die Drohung ausgesprochen, die Bürger Osnabrücks ob ihrer Rebellion gegen den Kaiser vierteilen, henken und köpfen zu lassen, sollte es ihm gelingen, die Stadt mit Gewalt einzunehmen. Drei Monate lag Franz Wilhelm mit seinem Heer vor den Toren Osnabrücks, er befahl den Bauern des Landes, die Zufahrtswege zur Stadt zu zerstören, und legte dem Stift eine unangemessen hohe Kontribution auf. Er muß geahnt haben, daß er die Stadt entweder in den nächsten Wochen oder niemals einnehmen würde. Nun, Gott gab uns |43| die Kraft, diesen Kampf zu bestehen, und nach drei Monaten Belagerung blieb Franz Wilhelm nichts anderes übrig, als sein Heer abzuziehen, wollte er es nicht riskieren, von den schwedischen Truppen abgeschnitten zu werden. Ich bin mir sicher, er wird von wütenden Krämpfen in seinem Bauch geplagt worden sein, als er sich auf seinem Pferd entfernte.«
Peltzer wirkte nachdenklich. »Trotzdem habe ich Angst um die Stadt«, fügte er leise hinzu.
Eine kurze Pause entstand, dann sagte Laurentz: »Aber Ihr habt mich gewiß nicht zu Euch bestellt, um mit Euch gegen Bischof Franz Wilhelm oder die Schweden zu kämpfen.«
»In gewisser Weise schon.« Peltzer erhob sich und holte einen Krug Wein herbei, aus dem er zuerst seinen Gästen und dann sich selbst einschenkte. Er nippte an seinem Becher und schaute Jakob und Laurentz entschlossen an. »Ich habe Euch in meinem Brief mitgeteilt, daß Osnabrück von der Hexerei heimgesucht wird. Innerhalb eines halben Jahres konnte der Rat von mehr als dreißig Zauberinnen umfassende Schuldgeständnisse erlangen. Alle diese Frauen waren niederen Standes, und niemand hat an der Schuld der Verurteilten gezweifelt, doch nun …« Peltzers Augen funkelten verbittert. »Nun, da der Rat es gewagt hat, zwei Weiber aus angesehenen Familien anzuklagen, für deren Abfall von Gott handfeste Beweise vorliegen, erhebt sich unter den Angehörigen eine laute Stimme des Protestes, die vor allem mir persönlich entgegen schlägt. Aber ich werde auf meinem Standpunkt beharren. Man sagt mir Sturheit nach, und ich betrachte dies als Kompliment.« Peltzer hob mahnend einen Finger. »Vor dem Angesicht Gottes macht sich ein Fürst ebenso schuldig wie ein Bettler, wenn er den Namen des Herrn verspottet. Ich strebe nach Gerechtigkeit, und von diesem Weg werde ich mich durch nichts abbringen lassen.«
»In welcher Form wurde dieser Protest eingelegt, von dem Ihr sprecht?« fragte Laurentz.
»Meine Gegner haben die landesfürstlichen Räte eingeschaltet |44| und beantragt, den Prozeß vor dem Spruchkollegium einer Universität zu entscheiden. Durch den Protest des Osnabrücker Rates konnte dieser Einwand glücklicherweise abgewendet werden. Heinrich Ameldung, der Ehemann einer der beschuldigten Hexen, ließ sich in Minden sogar ein Leumundszeugnis über seine Frau ausstellen.«
»Anna Ameldung hat lange Zeit in Minden gelebt«, wandte Laurentz ein. »Ich habe nur selten ein Wort mit ihr gewechselt, aber alles in allem schien sie mir eine unbescholtene Frau zu sein.«
»Das mag sie auch gewesen sein«, sagte Peltzer, »doch hier in Osnabrück hat sie sich vom Bösen verführen lassen und ist vom christlichen Glauben abgefallen.«
»Welche Beweise liegen für ihre Schuld vor?« fragte Jakob.
»Zum einen wurde sie von zahlreichen überführten Zauberinnen belastet, die mit ihr den Hexentanz besucht haben. Weitaus schwerer wiegt jedoch die Anschuldigung, die von einem nahen Verwandten ihres Ehemannes ausgesprochen wurde. Dieser Mann gelangte in den Besitz einer Konfektbüchse, welche die Initialen des Apothekers Heinrich Ameldung trug und von seiner Frau zum Hexentanz mitgeführt wurde. Die Büchse war offensichtlich verhext, denn das Konfekt, das sich in ihr befand, verwandelte sich wie durch Zauberhand in übelriechenden Unrat. Urteilt selbst: Würde ein Mann seine Verwandte derart belasten, wenn diese Geschichte der Phantasie entsprungen wäre?«
Alle drei schwiegen nachdenklich. Dann sagte Laurentz: »Ihr habt mich also zu Euch gerufen, um ein Gutachten über diese Angelegenheiten zu erstellen.«
Peltzer nickte. »Ich bitte Euch als unbefangenen Sachkundigen darum, Euch ein Urteil zu bilden und es niederzuschreiben. Eure Worte könnten ein immenses Gewicht besitzen.«
»Das will ich gerne für Euch tun«, erwiderte Laurentz. Er leerte seinen Becher und ließ sich neuen Wein nachschenken. »Es ist mir zu Ohren gekommen, daß ich nicht der erste
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