Hexentage
leibhaftigen Hexe Auge in Auge gegenübergestanden?«
Jakob schüttelte den Kopf.
»Morgen werdet Ihr Gelegenheit dazu haben. Ihr werdet erleben, wie eine Hexe durch das Schwert gerichtet wird, und danach werde ich Euch in den Bucksturm zu den Dienerinnen des Satans führen, auf daß Ihr Euch von dem Bösen, das ihnen innewohnt, überzeugen könnt.«
Peltzers Augen funkelten bei diesen Worten. Er faßte Jakobs Hand und formte sie zur Faust. Auf Jakob machte der Bürgermeister den Eindruck, als würde er am morgigen Tage liebend gerne eigenhändig das Schwert des Scharfrichters führen.
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Kapitel 5
Nach Einbruch der Dunkelheit wünschte Wilhelm Peltzer seinen Gästen eine geruhsame Nacht und zog sich zurück. Auch Jakob und Laurentz legten sich gesättigt und vom Wein angenehm berauscht in ihren Kammern schlafen.
Das Gespräch über Hexen und Teufelswerk hatte in Jakob einen starken Nachklang hinterlassen. Diese Stadt stellte zweifelsohne eine Manifestation des Bösen dar. Gewiß war Osnabrück |48| nicht der einzige Ort, der von Hexen und Zauberern heimgesucht wurde, aber der Einfluß des Teufels schien sich hier besonders schnell auszubreiten. Die Zustände hätten ihm Angst bereiten müssen, doch das bewundernswert unerschrockene Engagement des Bürgermeisters schenkte Jakob eine beruhigende Sicherheit.
Mehr als eine Stunde lang lag er wach, starrte in die Dunkelheit und dachte über Wilhelm Peltzer nach. Welche Meinung mochte sich der Bürgermeister letztlich über ihn, Jakob, gebildet haben? Er schien äußerst streng in seiner Beurteilung über unerfahrene, am Beginn ihrer Karriere stehende Juristen zu sein. Jakobs eitle Aufmachung hatte Peltzers Unmut erregt, und so nahm er sich vor, alles zu tun, um dessen Urteil in den nächsten Tagen zu revidieren.
Mit dem Gedanken an dieses Vorhaben schlief er schließlich ein und wurde von unangenehmen Träumen geplagt, die ihn in der dunklen Kammer aufschrecken ließen. Aufrecht saß er im Bett, befühlte den Schweiß auf seiner Stirn und ließ noch einmal den verblassenden Alptraum, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, im Geiste an sich vorüberziehen.
In diesem Traum war er auf einem vom Vollmond in unheilvolles Licht getauchten Hexensabbat zum Adepten des Satans geworden. Inmitten eines Feuerkreises hatten ihn zwei nackte, hämisch grinsende Weiber an den Armen festgehalten, während ein häßlicher Teufel in goldbesetzten Kleidern mit seinen Klauen schwarzes, dickflüssiges Wasser über seinen Kopf gegossen und beschwörende Formeln in einer kehligen Sprache aufgesagt hatte.
Jakob atmete tief ein und aus, und nur langsam beruhigte sich sein aufgeregt pochender Herzschlag. In den Schlaf fand er jedoch nicht wieder.
Wie spät mochte es sein? Von draußen her drang noch kein Lichtschein durch die Fensterläden. Im Erdgeschoß des Hauses war es still. Das Gesinde schlief also noch, folglich mußte er mitten in der Nacht aufgewacht sein.
|49| Plötzlich vernahm er Schritte. Eine Person trat bis an die Tür am Ende des Korridors. Jakob lauschte gespannt und hörte, wie das Schloß und der Riegel gelöst wurden. Daß jemand mitten in der Nacht dieses so gründlich verschlossene Zimmer aufsuchte, machte Jakob neugierig. Er rang einige Momente mit sich, ob er aufstehen oder liegen bleiben sollte, entschied sich dann aber dafür, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
Vorsichtig stieg er aus dem Bett, zog seine Hose an und tapste im Dunkeln über den Korridor. Unter der Tür, die sein Interesse erregt hatte, machte er einen matten, flackernden Lichtschein aus. Jakob lauschte und glaubte, das leise Rascheln von Papier zu hören. Er legte eine Hand auf die Klinke, drückte sie nieder und öffnete die Tür einen Spalt breit. Die Bewegung verursachte ein quietschendes Geräusch, das seine Anwesenheit verriet. Durch den Spalt konnte er an einem Pult sitzend Wilhelm Peltzer erkennen. Der Bürgermeister drehte sich bei dem Geräusch ruckartig und mit ernster Miene zur Tür um. Da es für Jakob nun ohnehin zu spät war, seine Neugier geheimzuhalten, schob er die Tür ganz auf und trat zögernd einen Schritt näher. Peltzer starrte ihn einen Moment lang abschätzend an und bedeutete ihm dann mit einer Handbewegung, die Tür hinter sich zu schließen.
»Kommt nur herein, Jakob«, sagte Peltzer.
Langsam ging Jakob auf den Bürgermeister zu. Es war ihm unangenehm, hier wie ein dummer, einfältiger Knabe vor dem einflußreichen Mann zu stehen, der ihm milde
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