Hexentage
hätten sie den Fluß Hase durchschwommen. Die Stadt wirkte wie ausgestorben. Der Regen hatte die Menschen schneller in die Häuser getrieben als das Bombardement während einer Belagerung durch feindliche Söldner.
Endlich erreichten die beiden das Haus der Meddersheims. Sie stürmten durch die Dielentür und fanden den ersehnten Schutz vor dem Unwetter. Saras Vater schaute von seiner Arbeit auf und betrachtete belustigt die beiden nassen Gestalten, die da keuchend in seiner Werkstatt standen. Unter ihren Füßen breitete sich rasch eine Pfütze aus.
|121| »Schau an, zwei Fische aus dem Fluß«, sagte der Goldschmied spöttisch, wandte sich dann aber besorgt an seine Tochter. »Du solltest dich besser sofort umziehen. Und Ihr, Herr Theis, wärmt Euch hier am Ofen, während ich Euch trockene Kleider aus meiner Truhe besorge.«
»Vielleicht sollte ich besser gehen«, erwiderte Jakob. Die Flucht durch den Regen hatte ihn angestrengt, und außerdem plagte ihn noch immer der pochende Kopfschmerz, der seiner Vision gefolgt war.
»Unsinn!« sagte Sara. »Ich schicke Euch nicht schon wieder durch den Regen. Ihr bleibt hier und wärmt Euch auf.«
Jakob sah ein, daß sie recht hatte. Ihm war kalt, und er fühlte sich entkräftet.
Georg Meddersheim schob ihn an den Schmiedeofen und fachte mit dem Blasebalg die Glut an. Eine wohlige Hitze schlug Jakob entgegen. Sara und ihr Vater stiegen die Treppe hinauf, doch der Goldschmied kehrte schon kurz darauf zurück.
»Wenn Ihr die Kälte aus Euren Knochen vertrieben habt, könnt ihr in die kleine Kammer gehen. Ich habe auf dem Bett frische Kleidung für Euch bereit gelegt.«
Jakob nickte dankbar. »Sehr freundlich von Euch, Meister Meddersheim.«
Er löste sich vom Ofen und suchte die Kammer auf. Neben Beinkleidern und einem Hemd befand sich auch ein grobes Tuch auf dem Bett. Die Tür zur Kammer ließ sich nicht verriegeln, deshalb entkleidete er sich rasch und rieb sich eilig trocken. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, sich die Kleidung überzustreifen, denn im nächsten Moment trat auch schon, ohne sich durch ein Klopfen oder Rufen anzukündigen, die Magd Mina in die Kammer.
Das tumbe Mädchen musterte ihn von Kopf bis Fuß und grinste schief. Jakob konnte es ihr nicht übelnehmen. Georg Meddersheim war kleiner und dicker als er, darum ließ ihn dessen Kleidung wohl wie einen Tölpel ausschauen. Die Hose war zu |122| kurz, und das Hemd hätte gut und gerne noch einen zweiten Jakob Theis in sich aufnehmen können.
»Eure Sachen … nehm’ ich.« Mina deutete auf die durchnäßten Kleider auf dem Boden.
Jakob reichte sie ihr.
Mina verbeugte sich ungelenk und machte sich davon. Jakob fragte sich, womit er ihr Wohlgefallen verdient haben mochte. In seiner Gegenwart benahm die Magd sich stets wie ein schwanzwedelnder Hund, dem man die besten Stück eines Wildbrets vor die Füße warf.
Er setzte sich auf das Bett und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Der Schmerz in seinem Kopf verblaßte allmählich, doch noch immer verfolgten ihn die Bilder seiner Vision. Nein, verbesserte er sich, keine simplen Bilder – er hatte die Flammen wie am eigenen Leibe gespürt.
Es verlangte ihn danach, sich von dieser bedrückenden Pein abzulenken, also trat er aus der Kammer und klopfte an die gegenüberliegende Tür zu Saras Zimmer.
»Tretet ein«, erklang ihre Stimme aus der Kammer. Jakob öffnete die Tür – und hielt abrupt inne.
Sara trocknete sich die Haare. Ihre Kleidung lag vor ihr auf einem Schemel. Sie schaute ihn an und lächelte.
Jakob starrte, unfähig sich zu rühren, auf ihren nackten Körper. Sein Blick streifte über Saras von der Schwangerschaft geschwollenen Brüste, wanderte über den runden Bauch bis hin zu dem gekräuselten Haar ihrer Scham. Dann räusperte er sich verlegen. »Ich … ich werde wohl besser draußen warten.«
»Es macht mir nichts aus, wenn Ihr hereinkommt.« Sara schien sich nicht im geringsten daran zu stören, daß sie ihm unbekleidet gegenüberstand.
Jakob ging darauf nicht ein. Er tat einen Schritt zurück und zog schnell die Tür zu. Verschämt rief er sich jedes Detail ihres Körpers ins Gedächtnis zurück, obschon er wußte, daß er sich versündigte, wenn er sich im Geiste an ihrer Blöße ergötzte. Der |123| Körper einer Frau stellte für Jakob noch immer ein Mysterium dar. Gewiß, er hatte Erfahrungen mit Elsche gesammelt, aber die Magd hatte sich niemals vor ihm ausgezogen, und vor allem war sie nicht schwanger
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