Hexentage
Dort befindet sich ein Buch, das Euch die Augen für die Wahrheit öffnen würde.«
Sara verzog das Gesicht, als hätte er sie geohrfeigt. »Darauf verzichte ich. In das Haus des Wilhelm Peltzer werde ich keinen Fuß setzen.«
»Warum habt Ihr eine so schlechte Meinung über den Bürgermeister.«
»Liegt das nicht auf der Hand? Es war Peltzer, der die Verfahren gegen die Hexen ins Leben gerufen hat. Er trägt die Schuld am Tod von fast dreißig Frauen.«
»Frauen, die von einem Gericht rechtmäßig verurteilt wurden«, hielt Jakob dagegen. »Außerdem könnt Ihr nicht Peltzer allein für die Prozesse verantwortlich machen. Er ist nur ein Mitglied des Rates, und der gesamte Rat als Institution leitet die Verfahren ein.«
»Er ist der Bürgermeister und steht damit dem Rat vor. Die Hexenverfolgung begann in Peltzers Haus, und mit jeder Aufdeckung |126| einer Hexerei steigt sein Ansehen. Vor allem beim einfachen Volk hat er sich durch die Inhaftierung der beiden Frauen aus den wohlhabenden Familien beliebt gemacht.«
»Wollt Ihr behaupten, Peltzer inszeniert die Prozesse, um seine politische Macht zu stärken?«
»Ich will hier gar nichts behaupten, sondern spreche nur meine Meinung aus, und ich bitte Euch, Eure Augen zu öffnen, vor allem im Umgang mit dem Bürgermeister.«
»Ich bin kein Kind mehr«, entgegnete Jakob mißmutig. Wenn hier jemand mit Blindheit geschlagen war, dann Sara selbst.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihr Streitgespräch. Mina trat ein, reichte Sara ein Tablett, auf dem sich zwei Tassen befanden, und zog sich umgehend wieder zurück. Die Tassen waren mit einer heißen Flüssigkeit gefüllt, die dünne Dampfschwaden aufsteigen ließ.
»Ich habe etwas zubereiten lassen, das Euch die Sorgen und den Trübsinn, der Euch so deutlich ins Gesicht geschrieben steht, etwas leichter nehmen läßt.« Sara stellte die Tassen auf dem niedrigen Tisch vor den Kissen ab, und Jakob konnte erkennen, daß dieser Trunk, den sie ihm hier anbot, schwarz wie Tinte war.
Er rümpfte die Nase. »Was ist das?«
»Die Perser nennen es
Chaube
. Es wird aus der Frucht der Kaffeepflanze gewonnen, die geröstet, zerstoßen und mit siedendem Wasser übergossen wird. Probiert es! Es wird Eure Sinne beleben. Der Kaffee berauscht Euch nicht wie Alkohol, und er wird Euch auch nicht ermüden. Im Gegenteil.«
Sara ließ sich in die Kissen nieder, und Jakob setzte sich zögernd neben sie. Er beugte sich über die Tasse und atmete das ungewöhnliche Aroma des Kaffees ein. Es roch so angenehm und exotisch, als wäre der Duft einer fremden Welt in die Tasse gebannt worden.
»Trinkt!« forderte Sara ihn auf. Jakob zögerte. Die schwarze Flüssigkeit erinnerte ihn an heißes Pech. Dann aber hob er die |127| Tasse an seine Lippen und probierte einen winzigen Schluck. Es war sehr heiß, doch vor allem schmeckte es bitter. Er kniff die Augen zusammen, verzog das Gesicht und konnte sich nur mit Mühe beherrschen, den Kaffee nicht auszuspucken.
»Stellt Euch nicht an wie ein Kind, dem man saure Milch zu trinken gibt. Gewiß, der Geschmack ist für Eure Zunge ungewohnt, aber glaubt mir, bald schon werdet Ihr ihn zu schätzen wissen.«
»Himmel, was für ein widerwärtiges Gesöff!« fluchte Jakob. »Wollt Ihr mich vergiften?«
»Hört auf zu schimpfen und trinkt etwas mehr davon.«
Jakob brummte mißmutig, dennoch nippte er an dem Trunk, bis er seine Tasse fast geleert hatte. Sonderbarerweise gewöhnte er sich tatsächlich an den strengen Geschmack. Er konnte nicht behaupten, daß er dieses Getränk einem Becher Wein vorziehen würde, aber Sara hatte recht: So wie der Wein die Sinne betäubte, schienen sie durch diese schwarze Flüssigkeit angeregt zu werden. Die Müdigkeit, die er nach ihrer anstrengenden Wanderung in den Knochen gespürt hatte, schien verflogen.
»Herrje, Ihr habt nicht untertrieben«, meinte er. »Ich fühle mich lebendig wie ein junges Kaninchen. Glaubt mir, würden mir jetzt diese streitsüchtigen Schweden begegnen, ich könnte es wohl mit allen dreien aufnehmen.«
»Da solltet Ihr besser vorsichtig sein«, erwiderte Sara. Ihre Wangen hatten eine gesunde, rötliche Farbe angenommen.
Jakob schmiegte sich in die seidenen Kissen und nahm noch einen weiteren Schluck. »Alles das ist für mich so aufregend und neu. Dieser Trank, Eure Berichte aus den fernen Ländern, die außergewöhnlichen Dinge, von denen wir hier in Eurer Kammer umgeben sind. Sara, ich möchte mehr von dieser fremden Welt
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