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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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nicht sofort zur Befragung ein. Erst als mehrere Hexen gegen sie aussagten, entschloß man sich dazu, sie verhaften zu lassen.«
    Sara schüttelte verständnislos den Kopf. »Üble Nachrede. |116| Verzaubertes Konfekt. Jakob, begreift Ihr nicht, wie haltlos eine solche Anschuldigung ist? Und dieser Rutger Vortkamp … seid Ihr dem Burschen jemals begegnet?«
    »Nein, aber der Bürgermeister hat mir versichert, daß es sich bei Vortkamp um einen vertrauenswürdigen und tüchtigen Bürger handelt.«
    »Sicher«, spottete sie, »man kann darauf vertrauen, daß er jedes noch so haltlose Gerücht in Windeseile von Haus zu Haus trägt, und tüchtig ist er immer dann, wenn es gilt, einen Krug Wein zu leeren. Rutger Vortkamp ist ein einfältiger Dummkopf, ein Taugenichts.«
    »Aber wie erklärt Ihr Euch die Verzauberung des Konfekts?«
    »Ich habe mit Anna darüber gesprochen, als das Gerücht in Osnabrück bekannt wurde. Sie berichtete mir, daß alles auf einem Scherz beruht, den sich die Schaumburger Verwandten mit Rutger Vortkamp erlaubt hatten. Sie tischten dem leichtgläubigen Tor die Geschichte von dem Hexentanz und der Büchse auf, und als Heinrich Ameldung, der eine solche Büchse überhaupt nicht besaß, Vortkamp zur Rede stellte, ritt dieser noch einmal nach Minden und verlangte, daß man ihm die betreffende Büchse als Beweis aushändigen solle. Die Verwandten trieben den Scherz auf die Spitze, füllten einen silbernen Krug mit Kuhdung, versiegelten ihn und gaben ihn Vortkamp mit auf die Reise. Der ahnungslose Heinrich Ameldung öffnete die Büchse, aus der ihm ein schrecklicher Gestank entgegen schlug. Als der Apotheker Rutger Vortkamp seine Beschränktheit mit Schlägen heimzahlen wollte, war es Anna, die um Gnade für ihn bat. Auch diese Milde wurde später als Beweis ihrer Schuld ins Feld geführt.«
    Jakob dachte darüber nach, dann sagte er: »Das ist also die Version, die Anna Ameldung Euch berichtet hat. Es klingt alles logisch, aber Ihr müßt auch in Betracht ziehen, daß sie sich diese Geschichte so zurecht gelegt haben könnten, damit alles wie ein dummer Scherz erscheint.«
    |117| »Glaubt, was Ihr wollt, aber Ihr kennt sie nicht. Anna würde einem Menschen niemals etwas Böses antun. Sie war ein Engel für die Armen, insbesondere für die Kinder. Nie hat sie einem kranken Kind ihr heilbringendes Wissen versagt. Sie behandelte sie zumeist ohne Lohn zu verlangen oder gab ihnen sogar noch ein Almosen mit auf den Weg. Anna wandte eine ganz besondere Methode an, um den Kindern die Angst vor den Schmerzen zu nehmen. Sie schenkte ihnen die Blüte einer weißen Lilie und erklärte den Kindern, die Blüte wäre in der Lage, ihre Schmerzen in sich aufzunehmen.«
    Jakob runzelte die Stirn. »Eine Lilie?«
    »Über die Lilie weiß man viel Wundersames zu berichten. Es heißt, sie sei aus den Tränen Evas erwachsen, als diese aus dem Paradies vertrieben wurde. Manche behaupten, die Lilie sei eine Todesblume, andere sehen in ihr ein Symbol für die reine Seele und die Wiederauferstehung.«
    »Ihr schenkt solchen Legenden doch keinen Glauben?«
    »Nein, aber viele, vor allem die Kinder haben an Annas Geschichten geglaubt, und in dem gleichen Maße, wie die Blume verwelkte, waren sie überzeugt davon, daß ihre Schmerzen dahinschwanden. Ihr seht, es mangelte Anna nicht an Phantasie, wenn es darum ging, einem kranken Menschen das Leben zu erleichtern. Und diese Frau soll dem Satan gedient haben? Davon werdet Ihr mich niemals überzeugen können.«
    Plötzlich begann ein heftiger Regenguß auf sie niederzugehen. Jakob zog Sara rasch auf die Beine, und sie hasteten zu der Ruine des niedergebrannten Klosters. Das Eingangsportal bot ihnen ein wenig Schutz vor dem Regen. Sara fluchte. Bei dem überstürzten Aufbruch hatte sie die meisten ihrer Kräuter verloren.
    »Ihr solltet Eure Zunge im Zaum halten, sonst straft Euch der Himmel nur noch mehr und läßt es länger regnen«, warnte Jakob.
    »Vielleicht straft er aber auch Euch wegen Eurer Beschränktheit«, gab sie barsch zurück.
    Der Regen dauerte an. Sara vertrieb sich die Zeit, indem sie |118| eine Melodie summte. Jakob mißfiel der modrige Geruch, der von den schmutzigen Überresten dieser Ruine aufstieg. Er wünschte sich, der Regen würde aufhören, damit sie endlich den Weg zurück in die Stadt antreten konnten.
    Vor seinen Füßen hatte sich eine Pfütze gebildet. Jakob registrierte, wie dicke Tropfen von einem rußgeschwärzten Balken herabfielen und ein

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