Hexentage
gewesen.
Hinter ihm wurde die Tür aufgedrückt. Saras Kopf schaute heraus, und wie er erkennen konnte, hatte sie sich ein Kleid übergezogen.
»Keine Angst, Jakob, ich habe mich bedeckt.« Sie lächelte und winkte ihn heran. Er trat an ihr vorbei in die Kammer und bestaunte das Kleid, das sie trug. Es war aus Seide gearbeitet und schimmerte leuchtend rot. Unter dem dünnen Stoff zeichneten sich ihre Brüste ab. Jakob fragte sich, ob sie ein Spiel mit ihm trieb, indem sie ihre Reize derart deutlich zu Schau stellte.
Sara bemerkte seinen argwöhnischen Blick. »Jetzt haltet Ihr mich sicher für eine gar schrecklich verdorbene Person. Ich zeige mich Euch nackt, ich zweifle an der Armee des Teufels, und ich trage ein Kind in mir, obwohl ich keinen Ehemann habe. Wahrscheinlich muß ich dankbar sein, daß Ihr dieses Haus nicht bereits fluchtartig verlassen habt.«
»Nein … es ist nur …« Jakob stockte, denn ihm fiel nichts ein, was er darauf antworten konnte.
»Habt Ihr zuvor schon einmal eine nackte schwangere Frau gesehen, Jakob?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wenn Ihr möchtet, dürft Ihr mich ruhig noch einmal so anschauen wie vorhin.«
Entsetzt hob Jakob die Hände. »Nein, besser nicht, Sara. Es gehört sich nicht für eine Frau wie Euch, sich nackt vor einem Mann zu zeigen.«
Sara zuckte mit den Schultern. »Wenn Ihr meint.«
Er atmete tief durch und versuchte sich abzulenken, indem er ein paar Schritte durch Saras Kammer machte und an ihrem Schreibpult stehen blieb, auf dem noch immer das arabische Buch lag.
|124| »Was ist das für ein Buch?« fragte er.
Sara stellte sich neben ihm und fuhr mit ihren Fingern über das Buch, als wolle sie die verschnörkelten Schriftzeichen liebkosen.
»Es handelt sich um das
Seratz elkulub, candelam cordis.
Die Gelehrten hierzulande nennen es die
Paraphrasi Alcorani,
eine Sammlung persischer Fabeln und Legenden.« Sie zeigte auf eine Textstelle.
» Chuda nike dascht mara es Scheitan, Heme busuchtend we ma chalas schudim
.«
»Was bedeutet das?«
»Es heißt: ›Gott beschützt uns vor den Teufeln, sie werden alle verbrannt, und wir werden frei gemacht.‹ Das ist ein Teil der Legende von den neugierigen Teufeln. Man sagt, als Gott die Teufel aus dem Himmel vertrieben und diesen vor ihnen verschlossen habe, verlangte es die Teufel danach, in Erfahrung zu bringen, was sich dort im Himmel zutrüge. So stiegen sie denn einer auf den anderen, bis der oberste von ihnen an den Himmel heran reichte. Gott jedoch bemerkte diese List und ließ einen Stern auf den obersten Teufel schießen, der durch sie alle hindurch fuhr und sie verbrannte. Die Teufel aber versuchen weiterhin, die Geheimnisse des Himmels zu erfahren und die Engel zu belauschen, doch wenn sie entdeckt werden, droht ihnen das Schicksal, verbrannt zu werden. Beim Anblick einer Sternschnuppe sprechen die Perser deshalb voll Andacht und Freude die Worte, die ich Euch vorgelesen habe.«
»Eine interessante Geschichte«, erwiderte Jakob. »Also ist auch dem Glauben der Perser die Gestalt des Teufels und sein Einfluß auf die Menschen vertraut.«
»Gewiß. Schließlich wurde der Koran maßgeblich durch die frühchristliche Mythologie beeinflußt. Die Teufel werden im Islam als
Dschinnen
bezeichnet, und es existiert auch eine Hölle, die man
Dschehannan
nennt. Glücklicherweise vermeidet es diese Religion aber, hinter jedem Baum oder Strauch einen Teufel zu vermuten, der rechtschaffende Menschen verderben und auf die Seite den Bösen ziehen will.«
|125| »Ihr verspottet den christlichen Glauben«, empörte sich Jakob.
»Nein, ich verspotte diejenigen Menschen, die das Christentum mit läppischem Aberglauben verwechseln. Die Angst, die verbreitet wird, frißt sich wie eine Krankheit in die Köpfe der Menschen und läßt sie Böses sehen, wo nichts ist. Die Leidtragenden dieser Hysterie sind die unzähligen unschuldigen Männer und Frauen, die wegen dieser Gerüchte zu Dienern des Satans erklärt und hingerichtet werden.«
»Nun ja«, erwiderte Jakob, »es mögen aufgrund unglücklicher Umstände auch falsche Urteile gefällt worden sein. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß es sich dabei um Ausnahmen handelt. Die Justiz ist nicht blind.«
»Was macht Euch da so sicher?« fragte Sara.
Ihr Verhalten ärgerte Jakob. Es schien ihm fast, als mache sie sich einen Spaß daraus, unentwegt seine Meinung anzuzweifeln.
»Sara, wenn Ihr möchtet, führe ich Euch in die Bibliothek des Bürgermeisters Peltzer.
Weitere Kostenlose Bücher