Hexentage
Achtung vor meinen Zielen. Sie wird mich mit all ihrer Kraft darin unterstützen.«
»Von welchen Zielen sprecht Ihr?«
»Nun, im Januar werde ich an der Universität in Rinteln mein Studium der Rechtswissenschaften beginnen.«
»Und danach? Werdet Ihr ein politisches Amt anstreben, oder wollt Ihr gegen die Hexerei ins Feld ziehen?«
»Ihr vermutet richtig. Ich habe es mir zum Ziel gemacht, mein Wissen und meine Kraft gegen die Schergen des Satans auf Erden zu richten.«
Sara zog eine Grimasse. »Ein Hexenjäger also. Jakob, habt Ihr keine Angst, Eure Kraft und Eure Zeit für einen Trugschluß zu verschwenden? Vielleicht ist die Präsenz der Hexen und Dämonen auf der Welt nicht so ausgeprägt, wie Ihr es vermutet.«
»Wollt Ihr behaupten, es handelt sich nur um eine Einbildung?«
»Viele kluge Menschen bestreiten die Existenz dieser Armee des Teufels.«
|114| »Sara, das ist Ketzerei!« widersprach Jakob. »Lest die Heilige Schrift! Der Satan ist ein gefallener Engel Gottes, der es liebt, Gottes Geschöpfe zum Bösen zu verführen und ihre Seelen dem Himmel zu entreißen.«
»Ich will nicht bestreiten, daß es einen Teufel gibt«, beruhigte sie ihn. »Nur glaube ich nicht daran, daß dieser gefallene Engel die Schuld für sämtliches Ungemach auf unserer Welt trägt. Jedes kleine Unglück wird dem Wirken des Satans zugeschrieben. Und soll ich Euch sagen, was so gefährlich an dieser Denkweise ist? Der Mensch ergibt sich dem Aberglauben und vergißt mehr und mehr, daß er selbst für seine Taten verantwortlich ist. Nehmt als Beispiel den Krieg. Es ist so einfach, den Teufel für die Not in dieser Zeit verantwortlich zu machen, aber kaum jemand sucht mehr die Schuld an diesem sinnlosen Konflikt bei den Menschen selbst.«
Jakob hätte Sara gerne berichtet, auf welch tückische Weise er die Gegenwart des Teufels am eigenen Leib erfahren hatte. Welch überzeugenderen Beweis für die Existenz des Bösen konnte er ihr vorlegen als die unheilvollen Visionen, die seine Seele heimsuchten. Doch es war unmöglich, ihr dieses Geheimnis zu offenbaren.
»Himmel, man merkt Euch an, daß Ihr unter Heiden aufgewachsen seid«, sagte Jakob.
Sara bedachte ihn mit einem erbosten Blick. »Diese Heiden, wie Ihr sie nennt, besitzen einen ebenso tiefen Glauben wie die Christen in diesen Ländern.«
»Aber sie folgen einer Irrlehre. Sie verachten Jesus und beten zu einem falschen Gott.«
»Mein Freund, der Arzt Rahman al-Bistam, war der religiöste Mensch, dem ich je begegnet bin. Er betete täglich zu seinem Gott, und es war für ihn nicht von Bedeutung, ob man diesen Allah, Jehova oder sonst wie nannte. Er verachtete Jesus nicht, sondern verehrte ihn als Propheten, denn der muslimische Glaube weicht im Grunde nur in einer wichtigen Frage vom |115| Christentum ab: ob es nach Jesus noch weitere Propheten geben kann.«
»Und Ihr? Teilt Ihr diese Meinung?«
Sara überlegte einen Moment. »Es ist der Glaube, der zählt. Nicht die Tempel und die Kathedralen, keine Predigt über Schuld und Sünde, einzig der reine, unverfälschte Glaube an das Gute im Menschen erfüllt uns.«
»Sara, Ihr wißt, daß solche Worte gefährlich sind. Diese Häresie könnte Euch in arge Schwierigkeiten bringen.«
»Wollt Ihr mich etwa anzeigen?« fragte sie forsch.
Jakob hob abwehrend die Hände. »Nein, versteht mich nicht falsch, ich möchte Euch nur bitten, Eure Meinung für Euch zu behalten. Zu Eurem eigenen Schutz.«
»Ich werde mich bemühen, Euren Rat zu befolgen. In einem Punkt jedoch werde ich niemals schweigen. Anna Ameldung ist unschuldig. Sie ist ebensowenig eine Hexe wie ich oder Ihr. Und so denke ich über alle Frauen und Männer, die hier in Osnabrück in den Ruf geraten sind, Diener des Satans zu sein.«
»Warum«, fragte Jakob, »seid Ihr Euch dessen so sicher?«
»Habt Ihr Euch je mit den genauen Umständen der Verhaftung Anna Ameldungs vertraut gemacht?«
»Selbstverständlich.« Wilhelm Peltzer hatte Jakob die Gründe ausführlich dargelegt. »Bereits seit zwei Jahren geht in der Stadt das Gerücht umher, daß Frau Ameldung den Hexentanz besucht hat. Dann brachte Rutger Vortkamp, ein Vetter ihres Ehemannes, von einem Besuch auf der Schaumburg eine Konfektbüchse nach Osnabrück, welche die Initialen H. A. trug und von Anna Ameldung zum Hexentanz mitgeführt wurde. Diese Büchse war verzaubert, denn als man sie öffnete, hatte sich das Konfekt in übelriechenden Dreck und Unrat verwandelt. Trotzdem zog der Rat Frau Ameldung
Weitere Kostenlose Bücher