Hexentage
geholt.«
Klare schüttelte den Kopf. »Himmel, nein!« krächzte er. »Ich habe nichts mit Dämonen zu schaffen. Schaut doch hin. Das ist ein Mensch!«
Jakob betrachtete das Wesen genauer, und von einem Moment zum anderen wurde ihm klar, daß der Scharfrichter die |178| Wahrheit sagte. Diese sonderbare vernarbte Haut und die eitrigen Geschwüre waren die Folge schwerwiegender Verbrennungen. Dies war der Mensch, der aus den Flammen des Klosters gestürmt und von Klare zu Boden gestoßen worden war. Die Person war nicht an diesem verhängnisvollen Tag gestorben, sondern vegetierte seit mehr als vier Monaten in dieser Höhle dahin. Kein Dämon, sondern ein bedauernswerter, entstellter Mensch, der wohl seinen Verstand verloren hatte.
»Ihr habt das Kloster in Brand gesteckt«, sagte Jakob zu Klare, wobei er weiter das Wesen auf dem Bett im Auge behielt.
»Es hieß, das Konvent sei verlassen. Ich konnte nicht ahnen, daß sich noch eine Frau darin befand.« Klares klagende Stimme ließ Jakob beinahe Mitleid empfinden
.
»Und dann habt Ihr die Frau hier versteckt.«
»Ich pflege sie und halte sie am Leben, aber ihre Wunden heilen nicht. Sie brechen immer wieder auf. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll.«
Jakob drehte sich zu Klare um, der noch immer auf dem Boden hockte.
»Ich kenne eine Frau, die dieser armen Person helfen könnte. Erlaubt Ihr mir, sie zu holen?«
Der Scharfrichter zog zweifelnd die Stirn in Falten. »Macht, was Ihr wollt. Nun wird ohnehin jedermann von meiner Sünde erfahren. Ich bin bereits tot, ebensogut könnte ich mir hier und jetzt die Kehle durchtrennen – es wäre bedeutungslos.«
»Nein, Meister Matthias«, widersprach Jakob. »Vielleicht können wir diese Frau retten, und danach möchte ich mich ausführlich mit Euch unterhalten.« Er starrte Klare eindringlich an. »Schwört mir das bei Eurer Seele.«
Der Scharfrichter schien einen Moment lang über Jakobs Vorschlag nachzudenken. »Ihr habt mein Wort«, erwiderte er dann.
Jakob nickte und verließ die Höhle. Erleichtert atmete er die frische Luft des Waldes ein. Dann eilte er, so schnell er konnte, in |179| die Stadt. Der Scharfrichter hatte ihm sein Wort gegeben, sich kein Leid anzutun. Doch wieviel mochte das Wort eines verzweifelten Mannes wert sein?
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Kapitel 19
Jakob hatte nicht bedacht, wie sehr der Fußmarsch von der Stadt bis zur Höhle Sara anstrengen würde, und so nahm der Rückweg zu Klare mehr als doppelt so viel Zeit in Anspruch wie Jakobs Lauf in die Stadt.
»Warte einen Moment!« Sara lehnte sich an den Stamm einer Buche und schnaufte entkräftet. Jakob fluchte leise. Er sah zwar ein, daß Sara in ihrem Zustand einige Pausen brauchte, aber es drängte ihn, zur Höhle zurückzukehren. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf den Lederbeutel, in dem sich Saras medizinische Utensilien befanden. Er hätte sein Pferd zu Hilfe nehmen können, um Saras Kräfte zu schonen, aber hier im Unterholz des Waldes, wo es kaum Pfade gab, wären sie dann wahrscheinlich noch langsamer vorangekommen.
»Es ist nicht mehr weit«, meinte er. »Wir dürfen nicht zuviel Zeit verlieren.«
»Verdammt, ich bin schwanger, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte!« gab sie aufgebracht zurück.
»Fluche bitte nicht so.«
»Ich rede mit dir, wie es mir gefällt!« Sara stieß sich vom Baum ab und stapfte an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Jakob legte eine Hand auf ihre Schulter und bedeutete ihr, langsamer zu gehen.
»Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt, daß du diese Strapazen auf dich nimmst.«
»Du weißt, daß ich einem kranken Menschen niemals meine |180| Hilfe verweigern würde«, entgegnete sie. »Welcher Teufel hat Meister Matthias nur geritten, diese arme Frau monatelang in einem dunklen Stollen zu verbergen.«
»Ich glaube, er wollte ihr helfen, aber seine medizinischen Kenntnisse haben wohl einfach nicht ausgereicht, um ihre Wunden zu heilen.«
»Pfuscher!« schimpfte Sara.
»Trotzdem sorge ich mich um ihn.«
»Ich sorge mich mehr um sein bedauernswertes Opfer. Klare wird längst das Weite gesucht haben. Wenn bekannt werden sollte, daß er das Feuer im Kloster gelegt und das Leben dieser Nonne verwirkt hat, wird man ihn wie einen tollwütigen Hund jagen.«
Jakob hegte eine ganz andere Befürchtung. Der Scharfrichter hatte damit gedroht, sich das Leben zu nehmen, und diese Möglichkeit schien ihm im Grunde weit naheliegender als eine Flucht. Im Geiste sah er sich mit
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