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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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Klarheit darüber erlangt haben, was in dieser Stadt vor sich geht.«

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    |171| Kapitel 18
    Der neue Tag war noch keine fünf Stunden alt, als sich Jakob auf den Weg machte, das Haus von Matthias Klare zu beobachten. Der Dienst eines Scharfrichters und Abdeckers begann sehr früh, und wenn Jakob sichergehen wollte, daß er ungestört in Klares Versteck im Wald eindringen konnte, mußte er sich zunächst Gewißheit darüber verschaffen, daß Klare sich die nächsten Stunden in der Stadt aufhalten würde. Er hatte überlegt, den Stollen in der Nacht aufzusuchen, doch er befürchtete, daß er sich in der Dunkelheit heillos im Dickicht des Waldes verirren würde. Außerdem war es durchaus möglich, daß Klare sich auch in der Nacht dort aufhielt.
    Jakob zog seinen Umhang enger zusammen, um sich gegen die kühle Feuchtigkeit der frühen Morgenstunde zu schützen. Die Stadt war noch in tiefem Schlaf versunken, und nur einige streunende Katzen kreuzten seinen Weg. In den Hinterhöfen vernahm er die ersten Hahnenschreie, doch ansonsten war es gespenstisch still um ihn herum.
    Er dachte an den gestrigen Tag. Nach ihrer Aussprache im Garten hatte er sich mit Sara in ihre Kammer zurückgezogen, sich dort auf die seidenen Kissen gehockt und lange darüber spekuliert, was Klare in seiner Höhle so gewissenhaft unter Verschluß halten mochte. Jakob hatte Sara in seinen Armen gehalten und zärtlich ihre Brust gestreichelt, während sie ihre Theorien über das mysteriöse Geheimnis des Scharfrichters austauschten. Jakobs erste Vermutung war es gewesen, daß Klare Wertgegenstände aus dem abgebrannten Kloster gestohlen hatte und sie nun versteckte, doch Sara konnte er mit dieser Idee nicht überzeugen. Sie meinte, das Kloster habe außer einigen silbernen Kruzifixen oder Meßbechern keinerlei Kostbarkeiten besessen. Sara vermutete, daß Klare wichtige Dokumente entwendet haben könnte, denn man sprach in der Stadt darüber, daß nach dem Feuer in den Trümmern des Altars ein Brief an den Bruder des |172| Bischofs Franz Wilhelm aufgefunden worden war, in dem die Äbtissin der Stadt schändlichen Frevel vorwarf und blutige Rache verlangte. Dagegen wandte Jakob ein, daß es für Klare unsinnig wäre, eine Mappe mit Dokumenten im Wald zu verbergen. Solche Schriftstücke konnten überall unter Verschluß gehalten werden, und der Scharfrichter hätte es gewiß vorgezogen, sie in seiner Nähe zu wissen.
    Jakob erinnerte Sara daran, daß er in dem Stollen einen ekelhaften fauligen Gestank wahrgenommen hatte, und sie entwickelten eine neue Theorie, die ihnen beiden einleuchtend erschien. Neben seiner Tätigkeit als Scharfrichter übernahm Klare auch die Aufgaben des städtischen Abdeckers, was bedeutete, daß er Tierkadaver beseitigte. Bewahrte er in der Höhle einige Kadaver auf? Aber aus welchem Grund die verschlossene Tür? Jakob hatte Sara gegenüber die Vermutung geäußert, daß Klare dort eine Art schwarze Magie betrieb. Möglicherweise benutzte er die Kadaver dazu, Dämonen aus der Hölle heraufzubeschwören. Er wußte, daß Sara Berichten von Teufelsbeschwörungen äußerst argwöhnisch gegenüberstand, aber an ihrer nachdenklichen Miene konnte er erkennen, daß sie diese Überlegung tatsächlich als guten Grund für Klares seltsames Verhalten erwog.
    Die Turmuhr schlug bereits Mitternacht, als Jakob das Haus der Meddersheims mit dem Versprechen verließ, Licht in das Dunkel dieses Geheimnisses zu bringen.
    Auf seinem Weg zurück in die Hakenstraße hatte er überlegt, ob er Wilhelm Peltzer in seine Vermutungen einweihen sollte, entschloß sich dann aber dazu, zunächst auf eigene Faust zu handeln und sicherzustellen, daß sein Verdacht gegen Matthias Klare nicht aus der Luft gegriffen war. Die Nacht über tat er in seinem Bett kein Auge zu, zerbrach sich in der einen Minute über den Scharfrichter den Kopf und schwelgte in der nächsten bereits wieder in seiner Liebe für Sara. Dann endlich war es an der Zeit aufzustehen und im Schutze der Nacht zum Haus des Scharfrichters zu eilen.
    |173| Er hatte sein Ziel bereits fast erreicht, als am Ende der Straße zwei Gestalten auftauchten, die einen breiten Holzkarren vor sich herschoben, der lärmend über das Pflaster polterte. Jakob glaubte im ersten Licht des Tages Matthias Klare und seinen Knecht zu erkennen. Er suchte rasch Schutz in einer der abzweigenden Gassen und preßte seinen Rücken an eine Hauswand. Der Scharfrichter schaute wie gewohnt mürrisch drein, als er die

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