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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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ihn, daß er sie wie eine Waffe einsetzen konnte. Mit der anderen Hand streckte er die Lampe aus und bewegte sich langsam zwischen den wie verrückte Teufel an den Steinwänden tanzenden Schatten vorwärts.
    Ein paar Momente später erreichte Jakob eine Biegung. Hinter ihr wurde der Stollen breiter. Jakob hob die Lampe an und erkannte im trüben Licht etwas, das wie ein Lager aus Stroh aussah. Sein Magen zog sich zusammen, als er bemerkte, daß sich dort unter einem schmutzigen Laken eine Gestalt abzeichnete.
    Einen Atemzug lang hielt er inne und beobachtete das Lager. Dies also war Klares Geheimnis.
    Jakob ging einen Schritt darauf zu, hob die Lampe über die Gestalt und stieß einen kurzen Schrei aus, als er ein Gesicht erblickte, das vollkommen verunstaltet war. Da lag kein Mensch vor ihm, sondern ein … ein Monster, ein Dämon, die widerliche Fratze einer teuflischen Mißgeburt. Die Haut dieses Wesens besaß eine dunkle bräunliche Farbe wie Sattelleder, und das Antlitz dieser Kreatur, die aus den Tiefen der Höllen entsprungen zu sein schien, war übersät von glänzenden Narben.
    |176| Klare mußte einen Dämon aus der Hölle heraufbeschworen haben.
    Lebte dieser Dämon denn überhaupt? Jakob beugte sich näher über das verunstaltete Gesicht. Die Kreatur hielt die Augen geschlossen, aber Jakob vernahm in der Stille rasselnde, schwere Atemzüge.
    Und plötzlich schlug die Kreatur die Augen auf.
    Jakob zuckte zurück und starrte in zwei blutunterlaufene Pupillen. Das Wesen stieß einen Schrei aus, ein dumpfer und lauter Ton, der von den Wänden widerhallte. Die Gestalt bäumte sich auf und wand sich schreiend unter dem Laken.
    Während er erschrocken mehrere Schritte zurückwich, begann Jakob ebenfalls zu schreien, doch als er mit dem Rücken gegen einen massigen Körper prallte, verstummte er abrupt. Zwei starke Arme schlossen sich wie Ketten um ihn. Jakob wand sich in panischer Angst. Er ließ die Eisenstange fallen und trat mit den Füßen wild um sich. Die Kreatur kreischte noch immer hysterisch. Jakob gelang es, sich aus dem Griff zu befreien, auch wenn sein Gegner ihn immer noch am Arm festhielt. Er wandte sich um und erkannte, wer ihn angegriffen hatte: Matthias Klare, der Scharfrichter.
    Jakob und Klare standen sich einen Moment lang schnaufend gegenüber, dann bückte sich Jakob, um nach der Eisenstange zu greifen, doch der Scharfrichter handelte schneller. Er verpaßte ihm einen schmerzhaften Hieb genau auf seine Wunde, die immer noch nicht ganz verheilt war. Jakob stöhnte auf und geriet ins Taumeln, und diese Schwäche nutzte Klare aus, um ihn gegen die Steinwand zu schleudern. Der Aufprall raubte Jakob für einen Moment die Sinne. Als die Verwirrung vorüber war, kniete er vor dem Scharfrichter, der ein gekrümmtes Messer hervorzog und Jakobs Kopf zur Seite drückte, um ihm die Kehle aufzuschlitzen.
    Mit diesem Messer häutet er die Tierkadaver, und jetzt wird er mich damit töten,
dachte Jakob mit einer schier beängstigenden Klarheit.
    |177| Der Scharfrichter drückte Jakob gegen die Wand und setzte das Messer an seinen Hals. Jakob spürte das kalte Metall und schloß in Todesangst die Augen.
    Einen Moment lang geschah nichts, dann ließ der Druck des Messers nach, und auch die Hand, die ihn gegen den Stein gedrückt hatte, zog sich zurück. Jakob schlug die Augen auf und sah, daß Klare langsam zurückging und das Messer fallen ließ.
    »Ich bin kein Mörder.« Der Scharfrichter sank an der gegenüberliegenden Wand zusammen.
    Wie seltsam kam es Jakob vor, diese Worte aus dem Mund eines Mannes zu hören, dessen Handwerk es war, Menschen das Leben zu nehmen.
    Klare schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte.
    Eine Weile saßen sich Jakob und Matthias Klare reglos gegenüber. Jakob hielt sich die schmerzende Seite und fragte sich, ob er nicht vielleicht in einen Alptraum geraten war. Zu unwirklich erschien ihm diese aberwitzige Szenerie, mit einem weinenden Scharfrichter und einem seltsamen Wesen, das sich stöhnend auf dem Strohlager wand.
    Keuchend stand er schließlich auf und machte einen Schritt auf Klare zu.
    »Was ist das für ein Wesen?« fragte er mit matter Stimme und deutete zum Bett. »Meister Matthias, was habt Ihr heraufbeschworen? Ist es … ein Dämon?«
    Der Scharfrichter ließ die Hände sinken und blickte Jakob an, als würde er zu ihm in einer fremden Sprache reden.
    »Was um Gottes willen habt Ihr getan?« rief Jakob. »Ihr habt eine Kreatur der Hölle auf die Erde

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