Hexentage
Hexentanz besucht hatten«, fuhr Klare fort. »Und durch dieses Geständnis verschaffte sie mir viel Arbeit, denn der Rat ließ fortan jeden Monat rund ein Dutzend Frauen verhaften, die im Verdacht standen, sich der Zauberei schuldig gemacht zu haben. Vor allem Bürgermeister Peltzer fand Gefallen daran, die Dienerinnen des Teufels aufzuspüren.«
Und er benutzte diese Verleumdungen, um dem Ruf seiner politischen
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Feinde zu schaden,
überlegte Jakob und dachte an die alte Frau Modemann, die Mutter des größten Gegners Peltzers.
Matthias Klare hatte seinen Bericht beendet. Er atmete einige Male tief ein und aus, dann stand er auf, anscheinend, um sich wieder auf den Weg in die Stadt zu machen,.
»Meister Matthias«, hielt ihn Jakob zurück. »Ihr wart bei den Verhören der Beschuldigten anwesend und habt ihre Geständnisse gehört. Waren es wirklich Hexen? Zumindest einige von ihnen?«
Der Scharfrichter überlegte kurz, dann sagte er: »Ich weiß es nicht, und wenn ich ehrlich bin, will ich auch nicht darüber nachdenken.«
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Kapitel 20
Fünf Tage lang kümmerten sich Jakob und Sara aufopferungsvoll um die entstellte Nonne. Nachdem die Wunden gesäubert und das Fieber gesenkt worden war, ähnelte die Frau wieder mehr einem Menschen als einem Dämon. Auch wenn ihre Haut noch immer von schrecklichen Narben entstellt war, merkte man, daß sie mit jedem Tag an Kraft gewann.
Jakob verfolgte gebannt, wie Sara sich nicht nur den körperlichen, sondern auch den seelischen Wunden dieser leidgeprüften Frau annahm. Zunächst hatte sie noch die beruhigenden Tinkturen verabreichen müssen, um die Frau, die oftmals in wilder Panik um sich schlug und schrille Schreie ausstieß, zu besänftigen, doch bald schon gelang ihr dies bereits durch den angenehmen Klang ihrer Stimme. Sara hockte geduldig am Lager der Nonne, erzählte ihr Geschichten, sang Lieder oder stellte Fragen nach ihrem Namen oder ihrer Herkunft, die stets unbeantwortet blieben, da der Schock, der durch die Verbrennungen ausgelöst worden war, der Nonne anscheinend die Sprache genommen hatte.
|191| »Die Zeit wird auch diese Wunde heilen«, pflegte Sara zu sagen, wenn die Frau wieder einmal nicht auf ihre Frage reagierte. Sie gab ihr den Namen Margaretha, weil sie der Meinung war, daß jeder Mensch ein Anrecht auf einen Namen habe, und bis die Frau wieder in der Lage sei, den Sinn der Wörter zu verstehen und zu sprechen, würde es ein guter Name sein.
Häufig strich Sara der Nonne sanft über die Stirn. Margaretha schaute Sara dabei meistens ruhig an, und Jakob gewann den Eindruck, als sei sie in Gedanken und Träumereien versunken, die sie in eine bessere Zeit zurückführten. Er fragte sich, ob sie überhaupt etwas von Saras Worte begriff oder ob es nur einfach die freundliche Stimme war, die ihr diese angenehme Ruhe schenkte.
Jakob und Sara verbrachten die Morgenstunden gemeinsam im Stollen, gegen Mittag wurden sie von Matthias Klare abgelöst, nachdem der Scharfrichter seine dringendsten Pflichten erledigt hatte. Jakob übernahm dann am Abend für ein paar Stunden allein die Wache am Lager der Kranken, bis bei Anbruch der Dämmerung noch einmal Klare eintraf, der die Nacht über in der Höhle blieb. Für jeden von ihnen bedeutete diese Aufgabe ein starke Beanspruchung, vor allem für Klare, dessen Pflichten als Abdecker und Scharfrichter ihm nur wenig Zeit ließen, Jakob und Sara am Tage zu entlasten. Sie waren sich einig, daß ihre Patientin nicht für alle Ewigkeit in dieser Höhle versteckt werden konnte, und so brachte Sara am fünften Tag ihre Überlegung vor, die Frau den Benediktinerinnen im Dorf Malgarten anzuvertrauen. Jakob hatte befürchtet, Matthias Klare könnte sich dagegen sträuben, die Frau, an deren Schicksal er große Schuld trug, zurück in die Öffentlichkeit zu führen, doch zu seiner Erleichterung unterstützte der Scharfrichter Saras Vorhaben vorbehaltlos.
Jakob spannte sein Pferd vor einen Karren, den ihn Georg Meddersheim überlassen hatte, und machte sich mit Sara ein letztes Mal auf den Weg zum Stollen, wo sie Margaretha behutsam |192| auf das mit Decken ausgelegte Gefährt trugen. Sie stieß einige aufgeregte Laute aus, als ihre Augen geradewegs in die Baumkronen und in den wolkenverhangenen Himmel starrten, so als könne sie es gar nicht recht begreifen, daß noch eine Welt außerhalb der steinernen Felsenwände existierte.
Matthias Klare reichte Jakob die Hand, bevor sie abfuhren.
»Ich kann Euch nicht
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