Hexentage
können. Betet für uns, das ist alles, was ich von Euch verlangen möchte.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille im Raum, dann sagte Ameldung: »Bitte geht jetzt. Ich möchte nachdenken.«
Jakob nickte und tauschte einen betrübten Blick mit Sara, die über den Verlauf dieser Begegnung nicht minder enttäuscht zu sein schien wie er.
»Es tut mir leid, daß wir so wenig erreicht haben«, sagte Sara, als sie den Heimweg antraten. »Ich hätte wissen müssen, daß Modemann auf deine Verbindung mit Peltzer empfindlich reagieren wird.«
»Es ist nicht deine Schuld. Modemann ist wahrlich noch sturer als seine zänkische Mutter.«
»Trotzdem bist du sicher sehr enttäuscht.«
Jakob wollte sie nicht merken lassen, wie enttäuscht er wirklich war, und darum nahm er sie nur kurz in den Arm. Obwohl er ihre Nähe wie immer als sehr beruhigend empfand, schickte er sie nach Hause und zog es vor, einige Stunden alleine zu sein.
Mit auf dem Rücken verschränkten Armen spazierte Jakob im Hinterhof des Peltzerschen Hauses auf und ab. Dieses Haus machte mittlerweile einen bedrohlichen Eindruck auf ihn. Während der ersten Tage seines Aufenthaltes hatte er angenommen, daß Peltzer und dessen große Bibliothek eine wirksame Waffe im Kampf gegen das Böse in der Stadt darstellten, doch je länger er sich in Osnabrück aufhielt, desto deutlicher begriff er, wie sehr er sich getäuscht hatte. Nicht von der Bedrohung durch Teufelswerk ging die größte Gefahr aus, sondern vom rücksichtslosen Ringen um die politische Macht. Der Rat stärkte seine Stellung, indem er unschuldige Menschen benutzte, verleumdete und tötete. Peltzer war ein Meister in diesem bösen Spiel – ein Teufel auf seine eigene Art.
|205| Durfte Jakob überhaupt weiterhin im Haus des Bürgermeisters wohnen? Er hatte Peltzer belogen, ihn hintergangen und sich seinen ärgsten Feinden angeboten. Auch wenn dieses erhoffte Bündnis nicht zustande gekommen war, würde Peltzer ihn ohne Frage wie einen Aussätzigen davonjagen, wenn er von Jakobs Kontakt mit Ameldung und Modemann erfahren sollte. War es also ratsam, sich aus eigenen Stücken aus der Gefahr zu bringen und freiwillig das Haus des Bürgermeisters zu verlassen?
Jakob wägte diesen Gedanken ernsthaft ab, doch als er die Magd Johanna in den Hinterhof treten sah, wußte er, daß es noch zu früh war, das Vertrauen des Bürgermeisters aufs Spiel zu setzen. Denn noch war er in der Lage, hier an wichtige Neuigkeiten zu gelangen.
Johanna setzte sich auf eine Holzbank und begann damit, zwei geschlachtete Hühner zu rupfen. Kleine Federn flogen in die Höhe und trudelten wie Schneeflocken auf die Erde. Sie summte eine leise Melodie, verstummte aber, als Jakob sich neben sie setzte und ihr zuschaute. Johanna grinste schüchtern und riß noch vehementer an dem Federkleid der Hühner.
»Ihr schaut bekümmert aus«, sagte sie und warf ihm einen scheuen Seitenblick zu, während sie den Anschein zu erwecken suchte, daß sie sich nur auf ihre Arbeit konzentrierte.
»Ich bin nur ein wenig müde«, erwiderte Jakob. Er lächelte Johanna an und bemerkte, wie sie errötete. »Johanna, ich möchte dir eine Frage stellen.« Er zwinkerte neckisch. Ihm lag nicht daran, mit der Zuneigung der Magd zu spielen, doch von ihr konnte er sicherlich nähere Einzelheiten über den Beginn der jüngsten Hexenverfolgung in dieser Stadt erfahren. »Hast du Maria Bödiker gekannt?«
Johanna runzelte die Stirn. Anscheinend hatte sie sich eine andere Frage erhofft. »Die Hexe?« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Ja, sie war noch in diesem Haus beschäftigt, als ich meinen Dienst antrat. Glücklicherweise wurde sie aber schon bald darauf verhaftet und hingerichtet.«
|206| »Und bist du dir sicher, daß sie eine Hexe war?«
Die Magd schaute ihn an, als hätte er etwas völlig Absurdes von sich gegeben. »Gewiß war sie eine Hexe. Schließlich hat sie freimütig ihre Vergehen eingestanden, nachdem man sie der Wasserprobe unterzogen hatte. Der Scharfrichter brauchte nicht mal die Tortur anzuwenden.«
»Was weißt du sonst noch über diese Frau?«
»Sie war die Witwe eines Soldaten und hatte als Marketen derin lange Jahre dessen Armeetroß begleitet. Wahrscheinlich hat sie sich auf diesen Reisen ihr Wissen über Hexerei angeeignet.«
»Aber hast du jemals mit eigenen Augen beobachten können, daß sie einen Zauber durchgeführt hat? Hast du irgendwann gesehen, wie sie nachts zu den Zusammenkünften mit anderen Hexen geflogen
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