Hexentage
Eurem Brautvater zurückschicken müssen.«
O ja, mein Wissen wurde tatsächlich erweitert,
dachte Jakob nicht ohne Zorn.
Und das auf eine Weise, die Euch ganz und gar nicht recht wäre.
Jakob verachtete Peltzer. Ausgerechnet dieser Mann wagte es, von Rechtschaffenheit zu sprechen. Gerne hätte er die Verfehlungen des Bürgermeisters offen ausgesprochen, |209| aber er mußte mit seinem Wissen sehr vorsichtig umgehen. Noch durfte er die Gunst Peltzers nicht völlig verlieren, denn ein solcher Konflikt könnte nicht nur ihn, sondern auch Sara und Matthias Klare gefährden.
»Ihr mögt recht haben«, erwiderte er daher kleinlaut, auch wenn es ihm schwerfiel. »Verzeiht mir meine Verfehlungen. Ab sofort werde ich mich meinen Aufgaben wieder intensiver widmen.«
Peltzer nickte zufrieden. »Mag sein, daß ich Euch ein wenig vernachlässigt habe. Ein junger Bursche wie Ihr braucht von Zeit zu Zeit eine starke Hand. Für morgen früh wurde von mir eine Ratssitzung einberufen, und ich möchte, daß Ihr daran teilnehmt. Ich bin mir sicher, Ihr werdet viele neue Dinge erfahren.«
Mit einem vielsagenden Lächeln verließ der Bürgermeister die Kammer.
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Kapitel 22
Nach und nach versammelten sich die Ratsherren in ihren strengen dunklen Roben im Saal, ließen sich auf den Seitenbänken nieder oder blieben unter dem mächtigen eisengeschmiedeten Leuchter stehen, um gestenreich mit den übrigen Anwesenden zu diskutieren. Jakob maß den Ratssaal mit aufmerksamen Augen. Sein Zustand spiegelte deutlich die Geldnot wider, an der die Stadt in diesen Zeiten litt. Vor allem die schadhafte Decke, die an vielen Stellen durch Papierornamente ersetzt worden war, gab über diese Mißstände ein eindeutiges Zeugnis ab.
Der Rat der Stadt Osnabrück setzte sich aus 16 Ratsherren, 8 Mitgliedern des alten Rates, 22 Angehörigen der Gilde und 16 Vertretern der Bürgerwehr zusammen. Jakob selbst war ein Platz an einem Tisch in der hinteren Ecke zugewiesen worden, wo er unauffällig neben dem feisten Protokollschreiber Stolten |210| saß und sich bemühte, möglichst vorsichtig zu atmen, denn von Stolten strömte ein unangenehmer Körpergeruch aus – eine Mischung aus Alkohol, Schweiß und gegorenen Speisen, die immer dann besonders penetrant zu Tage trat, wenn er leise rülpste, während er gedankenverloren seine Federkiele inspizierte.
An einem Tisch links von Jakob saß Wilhelm Peltzer, flankiert von seinen engsten Vertrauensmännern, Voß und Brüning. Der Bürgermeister wechselte flüsternd ein paar Worte mit Brüning, behielt aber die Ratsmitglieder im Saal stets wachsam im Blick. Dann erhob er sich und rief die Versammlung durch ein Klopfen auf dem Tisch zur Ruhe.
»Verehrte Herren«, sagte er, »werte Mitglieder des Rates, wir wollen beginnen.«
Seine Aufforderung ließ die Stimmen verstummen, und auch die letzten Ratsmitglieder begaben sich auf ihre Plätze.
Peltzer räusperte sich. »Ich nehme an, jede Person in diesem Saal dürfte wissen, aus welchem Grund diese außerordentliche Sitzung einberufen wurde.«
Einige der Anwesenden nickten beflissen, während Peltzer weitersprach. »Ihnen allen ist bekannt, daß das Verfahren gegen die unter dem schwerwiegenden Verdacht der Hexerei eingezogenen Frauen Anna Modemann und Anna Ameldung bereits unerträgliche acht Wochen andauert, ohne daß erforderliche Schritte zur Klärung der Schuldfrage dieser Frauen eingeleitet wurden. Es sind die engsten Angehörigen der Angeklagten, die sich in Wehklagen darüber ergehen, daß diese Frauen so lange Zeit die Kerkerhaft ertragen müssen – in stetiger Ungewißheit über ihr weiteres Schicksal. Und doch tragen diese Herren ganz allein die Schuld für die Verzögerung, denn sie haben nichts unversucht gelassen, die landesfürstlichen Räte und den Statthalter davon zu überzeugen, die Arbeit dieses Gremiums zu behindern oder gar zu unterbinden.
Vor nunmehr 17 Tagen gelang es den Herren Modemann und |211| Ameldung gar, eine Strafandrohung der schwedischen Kanzlei von 3000 Goldgulden gegen jedes Mitglied dieses Rates zu erwirken, im Falle, daß das Verfahren gegen Anna Ameldung und Anna Modemann weitergeführt würde. Ich selbst wurde öffentlich beschuldigt, diese Hexenprozesse aus persönlichen Gründen voranzutreiben. Sie mögen darüber denken, was sie wollen, werte Herren, aber jedem von Ihnen ist bekannt, wie widerstrebend mein Amtsvorgänger Modemann den Posten des Bürgermeisters geräumt hat und in welchem Verhältnis diese
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