Hexentage
erbittertsten Gegnern einfand, mußte Jakob mit den ärgsten Konsequenzen rechnen. Immer wieder warf er deshalb nervöse Blicke zum Rathaus und fragte sich, ob Wilhelm Peltzer vielleicht in diesem Moment zufällig durch eine der Butzenscheiben auf den Marktplatz schaute und voller Zorn beobachtete, wie Jakob von Sara in das Haus seines ärgsten Feindes geführt wurde.
Es waren erst zwei Tage vergangen, seit Jakob Sara überzeugt hatte, ein Zusammentreffen zwischen ihm und Anna Ameldungs Ehemann sowie dem Sohn der Frau Modemann in die Wege zu leiten. Saras Bedenken, daß man ihr Anliegen ignorieren würde, hatte sich nicht bestätigt. Also überwog die Neugierde der Herren Ameldung und Modemann doch ihren Argwohn.
Einigermaßen aufgeregt standen sie vor der Apotheke und klopften mit dem Eisenring an die Tür. Ein Gehilfe des Apothekers öffnete ihnen und führte sie durch den Verkaufsraum und das Laboratorium in das obere Stockwerk, wo in einer kleinen Stube bereits Heinrich Ameldung und Albert Modemann auf sie warteten.
Zudem hielten sich noch zwei zierliche Mädchen hier auf, deren anmutige Gesichtszüge Jakob an Anna Ameldung erinnerten. Beide maßen Jakob mit einem Blick, der zugleich Argwohn aber auch eine gewisse hoffnungsvolle Erwartung verriet.
|200| »Bitte laßt uns allein«, sagte Heinrich Ameldung zu den Mädchen, die sittsam nickten und an Jakob und Sara vorbei zur Tür liefen.
Jakob zog den Hut vom Kopf und verneigte sich, während er die beiden Männer unauffällig musterte. Der korpulente Ameldung trug elegante und aus teuren Stoffen gefertigte Kleidung, wie es für einen Mann seines Standes angemessen war. Der angespannte Ausdruck, der sich in seinem blassen Gesicht abzeichnete, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wie sehr er unter der momentanen Situation litt.
Dr. Albert Modemann hingegen, der Amtsvorgänger Peltzers, saß kerzengerade auf einem Eichenstuhl neben einem mit bunten Fliesen verziertem Kachelofen und betrachtete Jakob, ohne einen Anflug von Schwäche zu zeigen. Modemann schien ein eitler Mensch zu sein. Er wirkte gepflegt und trug sein lockiges braunes Haar kürzer, als es allgemein üblich war.
Sara hatte Jakob vor diesem Treffen einige interessante Details über Dr. Modemann anvertraut: Modemann war ebenso wie Peltzer im Zuge der Gegenreformation von Bischof Franz Wilhelm seines Amtes enthoben und aus Osnabrück ausgewiesen worden. Unmittelbar nach der schwedischen Besatzung war er in seine Vaterstadt zurückgekehrt und hatte erneut das Amt des Bürgermeisters übernommen. Da die Stellung des Bürgermeisters gegenüber dem schwedischen Statthalter, der oftmals mit brutaler Gewalt Geschenke und Steuern erzwang, immer schwieriger geworden war, hatte Modemann eingesehen, daß ihm zu seiner Unterstützung eine energische Persönlichkeit zur Seite gestellt werden mußte. Die Wahl fiel auf Wilhelm Peltzer, dem damaligen Vorsteher der Ritterschaft, der fortan als Syndikus der Stadt und Modemanns rechte Hand fungierte. Beide Männer hatten zunächst ein gutes Verhältnis gepflegt, denn Peltzer erwies sich als tatkräftige Stütze gegen die immer drückender werdende Herrschaft der Schweden und insbesondere gegen den jähzornigen Landesherren Gustav Gustavson. |201| Modemann jedoch bemerkte zu spät, daß Peltzer seine neu gewonnene Macht dazu benutzte, die Bürgerschaft auf seine Seite zu ziehen und die Ablösung des Bürgermeisters voranzutreiben. Noch bevor er Peltzers Wirken ein Ende bereiten konnte, verlor Modemann das Amt an seinen Kontrahenten. Verbittert zog er sich zurück und bildete fortan das Zentrum der Gegnerschaft Peltzers, den er haßerfüllt als intriganten Emporkömmling darstellte.
Jakob räusperte sich und sagte: »Meine Herren, ich möchte Ihnen meinen Dank dafür aussprechen, daß Sie sich die Zeit nehmen, mich …«
»Herr Theis, ich bin ein vielbeschäftigter Mann«, fiel ihm Modemann abrupt ins Wort. »Also lassen Sie uns ohne Umschweife auf Ihr Anliegen zu sprechen kommen.«
Es ärgerte Jakob, daß Modemann ihm wie einem Knaben über den Mund fuhr, doch er bemühte sich um Besonnenheit und fuhr fort: »Während der letzten Wochen habe ich mich intensiv mit dem Verfahren gegen die Frauen Ameldung und Modemann beschäftigt.« Er bedachte Sara mit einem anerkennenden Blick. »Sara Meddersheim hat mir dabei beratend zur Seite gestanden und mir einige ungewöhnliche Einblicke über die Hintergründe dieser Verhaftungen verschafft. Sie hat mich von der Unschuld
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