Hexentage
auf und gestand jedwedes Verbrechen, das die Peinkommissare ihr vorwarfen.
Um den Schmerzen zu entfliehen, hatten beide Frauen in panischen Schilderungen von ihren Hexenkünsten berichtet, und wo es ihren Geständnissen an Substanz und Detailreichtum fehlte, da halfen die Peinkommissare nach, indem sie mit ihren Suggestivfragen für die nötigen Ausschmückungen sorgten. Am Ende beschuldigten sich die beiden Frauen nicht nur gegenseitig |233| der Teilnahme am Hexentanz, sondern behaupteten sogar, ihre eigenen Töchter und Enkelinnen hätten an den heidnischen Zusammenkünften teilgenommen.
Diese Bereitschaft, sogar die eigenen Kinder dem Verdacht der Hexerei auszusetzen, um von den Qualen der Folter erlöst zu werden, hatte Jakob am tiefsten erschüttert. Doch damit immer noch nicht genug, wurde jeder von ihnen mehr als ein Dutzend Namen von Frauen abgepreßt, die nun ebenfalls in den Verdacht gerieten, Dienerinnen des Satans zu sein. Jakob hatte Namen um Namen notiert, in wachsender, banger Angst, eine der Frauen würde in ihrer Notlage auch ihn selbst oder Sara belasten. Wenn diese gepeinigten Seelen sogar ihre eigenen Kinder der Justiz preisgaben, mußte er ebenfalls befürchten, daß die Personen, von denen sie Unterstützung erhalten hatten, der Hexerei beschuldigt wurden.
Doch weder sein eigener noch Saras Name war in dieser Nacht gefallen, und als Jakob auf seinem Weg durch die Stadt in eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern einbog, faltete er die Hände und dankte Gott für diese Gnade. Er fiel auf die Knie und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Erst nach einigen Minuten hatte er sich wieder in der Gewalt. Er stand auf und wischte sich den Schlamm von den Hosenbeinen. Dann schlug er den Weg zum Haus der Meddersheims ein.
Sara ließ ihn hinein, als er an die Dielentür klopfte. Es war ihr anzusehen, wie gespannt sie bereits auf ihn gewartet hatte.
»Jakob, endlich«, sagte sie und schob ihn eilig in die Werkstatt.
Mit letzter Kraft taumelte Jakob zu einem Stuhl. Ihm war schwindelig, und er wünschte sich nur, sich einfach mit Sara ins Bett zu legen und sich von ihrer Nähe beruhigen zu lassen.
»Himmel, du schaust schrecklich aus.« Sara legte eine Hand um seine Schulter.
Jakob konnte nicht anders, als sie an sich zu ziehen und seinen Kopf auf ihren Bauch zu pressen.
»Was ist geschehen?« fragte sie.
|234| »Es ist vorbei, Sara. Sie haben gestanden, Zauberei angewandt zu haben.«
Weil sie wohl spürte, wie sehr es ihn mitgenommen hatte, wollte Sara keine Einzelheiten von ihm wissen. Ohne ein Wort zu sagen, strich sie ihm über das Haar, als wäre er ein krankes Kind. Dann sagte sie: »Jakob, komm, ich möchte dir etwas zeigen.«
Er folgte ihr in die Wohnstube ihres Vaters, und zu seiner Überraschung traf er dort auf zwei Personen, die er kaum hier erwartet hätte.
Albert Modemann und Heinrich Ameldung strahlten keineswegs mehr den unerschütterlichen Trotz aus, den sie bei ihrer ersten Begegnung an den Tag gelegt hatten. Daß der Rat inzwischen die Wasserprobe durchgeführt und die beiden Frauen dem peinlichen Verhör unterzogen hatte, mußte Modemann und Ameldung völlig unerwartet getroffen haben. Bleich und angespannt standen sie da, und es war Modemann, der sich bei Jakobs Eintreten als erster rührte und ihm versöhnlich die Hand reichte.
»Ich muß mich bei Euch entschuldigen«, sagte Modemann. »Es scheint, als hätte ich mich zu sicher gefühlt.«
Jakob drückte seine Hand und nickte.
»Frau Meddersheim sagte uns, daß Peltzer Euch als Schreiber für das peinliche Verhör abgestellt hat.«
»So ist es.«
»Also wart Ihr dabei. Sagt, was hat das Verhör ergeben?«
»Könnt Ihr es Euch nicht denken?«
Modemann zuckte müde die Schultern. »Sie haben gestanden?«
Jakob nickte traurig. »Sie waren standhaft, aber die Schmerzen haben schließlich ihren Willen gebrochen. Nach einer solchen Tortur hätten sie alles eingestanden – selbst die unwahrscheinlichsten Verbrechen.«
»Mein Frau hat zugegeben, daß sie eine Hexe ist?« flüsterte Ameldung heiser.
»Niemand hätte dieser Folterung standgehalten.«
|235| »Sie hat es zugegeben.« Der Apotheker sprach mehr mit sich selbst, und es war eine tiefe Enttäuschung und Verunsicherung aus seinen Worten herauszuhören.
»Wir nehmen das nicht so einfach hin!« wehrte sich Modemann. »Noch sind Eure Frau und meine Mutter am Leben. Und so lange sie noch einen Atemzug tun, werde ich den Kampf gegen Peltzers Willkür
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