Hexentage
weiterführen.« Er schaute Jakob streng in die Augen. »Herr Theis, ich habe Euch mißtraut, doch nun erbitte ich Eure Hilfe. Ihr lebt mit Wilhelm Peltzer in einem Haus. Vielleicht wäre es Euch möglich, seine nächsten Schritte zu verfolgen und uns darüber in Kenntnis zu setzen.«
»Ich befinde mich auf Eurer Seite, und ich werde Euch unterstützen, wo ich kann«, erwiderte Jakob. »Aber ich werde Euch nichts mehr über Peltzer berichten können.«
»Warum nicht?« wollte Modemann wissen.
»Weil ich Peltzers Haus verlassen werde. Nichts und niemand wird mich dazu zwingen können, auch nur eine weitere Nacht unter seinem Dach zu verbringen.«
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Kapitel 24
Es gab nur wenige Dinge, die Jakob in seiner Kammer in Peltzers Haus zusammenpacken mußte: einige Hemden und Beinkleider, sein Rasierzeug sowie die Bibel, die ihm von Agnes anvertraut worden war. Die roten Federn, über die der Bürgermeister sich einst so abfällig geäußert hatte, steckte er wieder an seinem Hut fest und betrachtete sich und seine Kopfbedeckung trotzig im Spiegel. Dann verschnürte er den Ledersack, schulterte ihn und trat aus der Kammer in den angrenzenden Korridor. Einen Moment lang verharrte er und betrachtete gedankenverloren die verriegelte Tür zu Peltzers Bibliothek.
Eine seltsame Beklommenheit breitete sich in ihm aus. Er hatte |236| die vielleicht folgenschwerste Entscheidung in seinem Leben getroffen. Indem er der Obhut Peltzers entfloh, lehnte er sich offen gegen die Mächtigen in der Stadt auf. Was dieses Verhalten für seine Zukunft bedeutete, konnte er kaum abschätzen. Nach wie vor war es sein Wunsch, die Rechtswissenschaften zu studieren. Da er an der Universität in Rinteln bereits eingeschrieben war, würde er dieses Ziel wohl auch ohne die Unterstützung des Bürgermeisters oder seines Brautvaters weiterverfolgen können. Eines Tages würde er ein Rechtsgelehrter sein, der gewissenhaft die bürgerlichen Gesetze anwandte, um wohl abgewogene Urteile zu fällen.
Peltzer würde über seine eilige Abreise alles andere als erfreut sein. Er würde gewiß nicht zögern, eine Nachricht oder möglicherweise sogar eine Beschwerde an Johann Albrecht Laurentz zu senden, in der er ausführlich über das ungebührliche Verhalten seines Schützlings Bericht erstattete.
Es war anzunehmen, daß sich auch Laurentz von Jakob abwenden würde. Und damit wäre auch die Eheschließung mit seiner Tochter Agnes hinfällig. Aber der Gedanke an eine Hochzeit in Minden war für Jakob ohnehin in weite Ferne gerückt. Sein Herz gehörte längst Sara, auch wenn ihm nicht ganz klar war, wie sich ihr Verhältnis entwickeln würde.
Jakob mußte plötzlich an seine Eltern denken und wie stolz sie darauf gewesen waren, daß er von Johann Albrecht Laurentz gefördert wurde und zudem um die Hand dessen Tochter angehalten hatte. Nun würde ihr Traum zerplatzen. Er kannte seinen Vater und seine Mutter gut genug um zu wissen, daß sie einer Verbindung mit einer Frau wie Sara niemals ihren Segen geben würden.
Jakob schickte einen der Knechte aus, sein Pferd zu satteln, dann bereitete er sich auf die unangenehmste Aufgabe an diesem Tag vor. Er würde sich bei Wilhelm Peltzer abmelden müssen, auch wenn es ihm wenig behagte, dem Bürgermeister mit der Nachricht seines Abschieds entgegenzutreten.
|237| Jakob fand Peltzer in dessen Arbeitszimmer. Der Bürgermeister war damit beschäftigt, mehrere Dokumente zu unterschreiben und mit seinem Siegel zu versehen, als er Jakob bemerkte. Er schaute auf und musterte ihn argwöhnisch.
»Tretet näher«, sagte Peltzer und legte die Feder zur Seite.
Jakob leckte sich verstohlen über die Lippen.
Warum nur,
schalt er sich,
scheint es mir in der Gegenwart Peltzers, als würde sich meine Zunge verknoten
? Trotz des Kloßes in seinem Hals brachte er hervor: »Herr Peltzer, ich bin gekommen, um Euch mitzuteilen, daß ich Euer Haus verlassen werde.«
Peltzer nickte bedächtig, so als hätte er Jakobs Worte vorausgeahnt. »Darf ich fragen, aus welchem Grund Ihr diesen Entschluß gefaßt habt?«
»Es ist der Prozeß gegen die Frauen Ameldung und Modemann. Ich teile nicht länger Eure Meinung über die Schuld dieser Frauen. In meinen Augen begeht Ihr einen großen Fehler, wenn Ihr sie als Hexen hinrichten laßt. Sie sind unschul-dig.«
»Diese
Hexen
«, Peltzer sprach das Wort so scharf aus, als wäre es eine Beleidigung, die Frauen anders zu bezeichnen, »haben freimütig ihre Schuld eingestanden. Herrgott,
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