Hexentage
Jakob, Ihr selbst wart doch anwesend, als sie ihre Sünden dargelegt haben.«
»Sie haben nur das bestätigt, was die Kommissare von ihnen verlangt haben. Und das allein aus einem Grund: um den unmenschlichen Qualen der Folter zu entfliehen.«
Peltzer erhob sich. Seine Augen funkelten. »Wißt Ihr, Jakob, Eure Willensschwäche ist mir bereits bei unserem ersten Zusammentreffen nicht verborgen geblieben. Wegen meiner Freundschaft zu Eurem Mentor Laurentz habe ich mir trotz allem jede erdenkliche Mühe gegeben, Euch auf den rechten Weg zu führen. Aber ich hätte wissen müssen, daß es vertane Zeit war. Ihr werdet niemals dazu fähig sein, Gottes Gesetz auf Erden zu vertreten.«
»Das ist Eure Meinung …«, hielt Jakob dagegen, doch Peltzer fiel ihm prompt ins Wort.
|238| »Eine Meinung, die Eurem Mentor nicht gefallen wird, dessen seid gewiß. Gut, verlaßt die Stadt, aber wartet noch, bis ich einen Brief an Johann Albrecht Laurentz aufgesetzt habe, den Ihr ihm eigenhändig übergeben werdet.«
Peltzer wollte schon nach Federkiel und Papier greifen, doch Jakob hielt ihn zurück. »Ihr irrt Euch. Ich werde noch nicht aus Osnabrück abreisen.«
»Ihr bleibt in der Stadt? Es zieht Euch zu der Meddersheimerin, nicht wahr? Zu dieser kleinen Hure, die Euch den Kopf verdreht hat.«
»Sie ist keine Hure.«
»Weiß der Himmel, was sie mit Euch angestellt hat, damit Ihr wie ein geiler Straßenköter hinter ihr herlauft.«
»Das muß Eure Sorge nicht sein.«
»Nein, vielleicht nicht.« Peltzer beugte er sich näher an Jakobs Gesicht heran, und raunte ihm ins Ohr: »Kriecht meinetwegen unter den Rock dieses Flittchens – aber eines, Jakob, gebe ich Euch mit auf den Weg: Haltet Euch aus Angelegenheiten heraus, die Euch nichts angehen. Und sollte ich jemals erfahren, daß Ihr Euch öffentlich gegen mich stellt, dann werdet Ihr die bitteren Konsequenzen dafür tragen. Gott soll mein Zeuge sein.«
Trotz der warnenden Worte des Bürgermeisters nahm Jakob noch am selben Tag an einer Zusammenkunft der Gegnerschaft Peltzers in Albert Modemanns Haus teil.
Unmittelbar nachdem er Melchior im Stall der Meddersheims untergestellt und seine neue Kammer bezogen hatte, hatte Modemann ihn dort aufgesucht und sich von Jakob unter vier Augen ausführlich von dem Ablauf der peinlichen Befragung berichten lassen. Jakob bemühte sich um eine sachliche Schilderung des Verhörs, doch oftmals konnte er seine Abscheu vor den Praktiken der Peinkommissare nicht verhehlen. Modemann hörte ihm aufmerksam zu, nickte nur von Zeit zu Zeit, und als Jakob geendet hatte, dankte er ihm höflich und lud ihn ein, am |239| frühen Abend sein Haus zu besuchen, um mit einigen anderen Freunden und Gleichgesinnten das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit zu beraten.
Jakob und Sara begaben sich gemeinsam zu Modemann, doch während Jakob dort sofort ein Stockwerk höher geführt wurde, blieb Sara mit den Mägden in der Küche zurück. Man zog es anscheinend vor, dieses Treffen in einem ausgesuchten Kreis abzuhalten, zu dem man einer schwangeren, unverheirateten Frau keinen Zutritt gewähren wollte.
Außer Jakob hatten sich noch fünf weitere Männer an der gedeckten Tafel versammelt. Natürlich waren Albert Modemann und Heinrich Ameldung anwesend. Neben Ameldung saß ein kleiner, hagerer Mann mit gefalteten Händen, der eine ungewöhnliche Ruhe ausstrahlte. Modemann stellte ihn als Martin Gosling vor, einen Freund der Familie und Rechtsgelehrten, der eigens aus Münster angereist war, um Modemann mit seinem Rat zur Seite zu stehen. Bei den anderen handelte es sich zu Jakobs Erstaunen um die beiden Prediger von St. Marien, Gerhard Grave und Peter Pechlin. Vor allem aus Graves blauen Augen blitzte eine Streitlust, die Jakob irritierte, hatte er doch während seiner Gottesdienstbesuche in der Marienkirche mitverfolgen können, wie wortgewaltig Grave die Gläubigen von der Kanzel aus vor den Gefahren der Hexerei gewarnt hatte.
Während ein Tablett mit gebackenem Karpfen aufgetragen und dazu frisches, mit Fenchel abgeschmecktes Brot gereicht wurde, bemerkte Jakob, daß Grave, der, wie er nun erfuhr, ein Verwandter Anna Modemanns war, ihn ebenfalls mißtrauisch musterte. Der Prediger mußte Jakob des öfteren an der Seite Peltzers gesehen haben. Die Voreingenommenheit, die Jakob und Grave gegenseitig teilten, wurde jedoch recht schnell aus der Welt geschafft. Vor allem Jakob mußte seine Meinung revidieren, als Grave während des Essens seine Ansichten
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